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Lebenslänglich – Das Deutsche Theater Berlin macht aus Becketts »Endspiel« einen drolligen Spaß

03. Juni 2017 – Ulrich Matthes hat es gut, könnte man sagen. Er hat nicht viel zu tun. Sein Hamm sitzt die ganze Zeit über auf der Bühne des Schauspielhauses einfach nur auf einem Stuhl. Nur, auch das muss man erst mal können, ohne das Publikum zu langweilen. Um ihn herum stakst sein »Diener« Clov (Wolfram Koch), manchmal direkt wirkend wie ein Mitglied von Monty Pythons »Ministry of Silly Walks«. Die beiden können nicht miteinander, aber erst recht nicht ohne den anderen. Hamm kann nicht mehr stehen, Clov nicht sitzen. Sie befinden sich in einer postapokalyptischen Welt und fristen mehr oder minder fröhlich den Rest ihres Daseins. Die Regie (Jan Bosse) hat sich hier für den fröhlicheren Aspekt entschieden.

Nicht nur, dass die Bühne (Stéphane Laimé) keine Wände mehr aufweist und somit die entscheidenden Fenster so nicht mehr funktionieren, alle anderen Gegenstände sind ebenso gestrichen: der Wecker und das Fernglas werden nur noch clownesk gestisch angedeutet. Von einem Bootshaken oder gar dem dreibeinigen Hund ist schon gar keine Rede mehr. Da ist es nur konsequent, dass auch Hamms Eltern komplett gestrichen sind.


Ja, Beckett war ein Clown. Aber eben ein düsterer. Genau deshalb wirkt es ja immer so grotesk, wenn jemand in einem Stück des Nobelpreisträgers lacht. Grundlegend ist allen seinen Charakteren ja stets ein jenseitiger Grundgestus, ein innerer Standort an der Schwelle zum Nichts, zur Leere. Entsprechend tiefgründig treten sie auf. Nur hier eben nicht. Hamm sitzt geradezu fröhlich im silberfarbenen Glitzeranzug in seinem Stuhl und vermittelt genau wie Clov den Eindruck, als hätten beide tatsächlich noch Interesse an dem, was sie sagen. Beide sind noch zu Leidenschaft und gar Leiden fähig. Anders formuliert: Becketts Figuren sind eigentlich schon viel, viel weiter. Diese beiden Kasper sind in dieser Arbeit ein deutliches Stück zurückgeholt worden, zurück in das, was für sie früher einmal Leben bedeutet haben mag. Ihre Fähigkeit zu Emotionen, Genussfähigkeit eingeschlossen, lässt sie so ganz anders wirken, als der ursprüngliche Text vermittelt. Der ist ordentlich durcheinander gerührt worden (Dramaturgie: Bettina Schültke), was gerade bei diesem Stück im Prinzip nichts ausmacht. Jeder Satz ist ja ohnehin bloße Geste.


Die Tatsache, dass beide tatsächlich noch sowas wie am Leben zu sein scheinen, gipfelt in einer Ohrfeige, die Clov Hamm versetzt. Das ist ein starkes Stück. Bedenkt man, wie pingelig Beckett selbst bei der Inszenierung seiner Stücke gewesen ist, steht es wohl außer Zweifel, dass er hier einen Tobsuchtsanfall bekommen hätte. Oder? Auch der Schluss fügt sich in dieses Bild, das, entgegen dem Original, den Eindruck vermittelt, dass eben doch etwas geschieht, die Dinge sich verändern. Während Clov in dieser Inszenierung die Bühne kein einziges Mal verlässt, tut er es gegen Ende mit einem irren Hopser ins Off doch. Und kehrt nicht zurück. Dadurch entsteht der Eindruck eines wirklichen Endes, als wäre es wirklich vorbei. Aber das geht doch nicht. Das kann man Beckett doch nicht antun. Ach was, der hätte sich darüber auch nur kaputt gelacht.

Rico Stehfest / Fotos: PR

Nächste Vorstellung: 3. Juni, Schauspielhaus, 19.30 Uhr.



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