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In der Geste – Linie 08 spezial mit Gästen in Hellerau
Es könnte ein unverbindliches, alltägliches Abendessen sein, dass das Duo Hartmannmueller aus Düsseldorf hier zeigt. Die Reihe »Linie 08« präsentiert damit erstmals Gäste von außerhalb. Im Austausch wird die zweite Arbeit, Anna Tills »von hier aus, weiter« am 17. und 18. Dezember im Tanzhaus nrw gastieren.

Drei Personen, bei Kerzenschein um einen Tisch herum gruppiert. Keinerlei Auffälligkeiten. Bis einer der Tänzer den Raum verlässt, mit einer Flasche Rotwein zurückkehrt und ruft »Shut up!«. Hier stimmt etwas nicht, will man meinen. »zurück zum Hund« ist stark vom physischen Theater geprägt. Es ist vor allem ein bedeutungsschwangerer Gestus, mit dem jeder Moment aufgeladen wird, oder zumindest aufgeladen werden soll. In senfblassen 80er-Jahre-Seidenblousons und späthippen roten Schuhen plus Glitzergürtel deuten Daniel Ernesto Mueller und Simon Hartmann unterstützt von Lenah Flaig einen unschönen Unfall an, dem wohl der titelgebende Hund zum Opfer gefallen ist. Eine Pistole, die unwissentlich geladen war. So genau weiß man das aber nicht. Das Trio macht es sich zur Aufgabe, sich hinter gänzlich beliebigen Gesten zu verstecken. Die Persiflierung überholt wirkender Choreographien wie man sie aus »alten« Musikvideos zu kennen meint, reicht dabei aber nicht. Das überzeugt nicht. Ich bedeute, also bin ich? Bloßes Hochhalten der eigenen Attitüde?

Besonders reizvoll erscheinen unterschiedliche choreographische Arbeiten, wenn man sie in ein wechselseitiges Licht setzt. Zwangsläufig stellt man als Zuschauer Vergleiche auf. Unter dieser Prämisse hat es die zweite Arbeit des Abends entsprechend leichter. Anna Till hat ihr »von hier aus, weiter« auf die nächste Entwicklungsstufe gehoben und schafft es, mit einem geradezu simplen Gedanken zu überzeugen: Was passiert, wenn das Gesicht mittanzt? Gerät der eigene Ausdruck dadurch zur Pantomime? Was alles steckt in den Möglichkeiten der Mimik?

Ein großes blaue Quadrat auf dem Boden bildet einen eigenen Raum für die Experimente. Liron Dinovitz steht neben Romy Schwarzer und versucht, deren Ausdrucksformen konkreten Gemütszuständen zuzuordnen. Später diktiert sie ihr in steigender Geschwindigkeit unterschiedlichste Emotionen, die einzig durch den Gesichtsausdruck wiedergegeben werden sollen. Es dauert nicht lange, bis die Abgrenzungen nicht mehr auszumachen sind. »She's all face.« Emotionen werden im Prinzip vorgeturnt, was durch ihr Ausgestelltsein zu einer leicht beunruhigenden Mittelbarkeit führt. Fast überrascht es, dass dieses performative Suchen frei von Ironie oder anderer Metaebene ist. Bis dann das gutgelaunte, unschuldige »What a feeling!« aus dem Film Flashdance in die angespannte Konzentriertheit platzt. Buntes Discolicht. Alles ist gut.

Am Ende versuchen die beiden Tänzerinnen, dargestellte Emotionen reduziert auf Smileys auf einem Plakat festzuhalten. Das ist bitter und kommt einem Menetekel gleich: Die Generation Smiley verfügt in ihrem Chat-Modus über eine Unsumme sogar animierter Smileys. Nur hat sie selbst kein Gesicht mehr. Das Zentrum der Kommunikation ist ausgelöscht. Eine kluge Arbeit. Rico Stehfest

Nächste Vorstellung: 14.12.2013 Festspielhaus Hellerau, 20 Uhr.



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