»Denk leiser!« - Im Societaetstheater behauptet eine szenische Video-Intallation »Liebe. Wahr. Jetzt«
Zwei Frauen, zwei Welten. Ein Moment, keine Handlung. Es dauert ganze zwanzig Minuten, bis das erste Wort fällt. »Du siehst erschöpft aus.« In dieser Arbeit von Svea Duwe sitzt das Publikum im Bühnenbereich und schaut ins eigentliche Auditorium. Dort befinden sich die beiden Welten: Die eine bestehend aus unendlichen Stapeln Papier, einem Stuhl, einem Kugelschreiber. Die andere ist ein Meer aus Kleidungsstücken, die bald in einen knallroten Koffer gepackt werden. Aus diesem und mit diesem Koffer lebt die Fotografin (Julia Amme). Erschöpft ist sie vom Fliegen. Oder vom Fliehen? Ein intensives Leben nennt sie es.
Die andere Frau (Karolina Petrova) hat beschlossen, dass sie sich ein Kind wünscht. Sie, die sich als alte Schachtel bezeichnet, sucht deshalb im Internet nach dem idealen Mann. Unentspannt, ein Krampf. Die Zeit läuft ihr davon.
Diese beiden Welten existieren parallel, auf der Bühne nebeneinander. Ihre Schnittmenge finden sie dadurch, dass beide Bereiche jeweils von einer Kamera aufgenommen und auf eine Leinwand projiziert werden, die in der Mitte, fast unmittelbar vor dem Publikum hängt. Je nach Position sind die Darstellerinnen durch die Leinwand verdeckt, nicht immer zeigt die Kamera, was sie gerade tun. Da beide Bereiche auf die gleiche Leinwand projiziert werden, ergibt sich mittig eine Überlappung der beiden Bilder. Damit spielt die Regie gekonnt: Sie bringt die beiden Frauen zusammen, obwohl sie es nicht sind. Durch Nahaufnahmen von Kleidungsstücken und Körperteilen entstehen Collagen, die Assoziationsräume ohne Grenzen öffnen.
Der Austausch der beiden Frauen ist dabei kein Dialog im eigentlichen Sinn. Jede Frage, jeder Satz trägt schwer. »Sei mir fremd und nah.« Gibt es ein falsches Leben im richtigen? Gibt es einen mustergültigen Lebensentwurf? Was ist erfolgreiches Leben? Gegen Ende tauschen die beiden Frauen die Welten. Und damit ihre innere Position: der Dialog wird umgedreht. Nichts scheint richtig, nichts falsch. Der letzte Satz lautet: »Wir brauchen den Freiraum, es entstehen zu lassen.«
Diese hochreflexive Arbeit wirkt sehr bei sich selbst angekommen. Die beiden Darstellerinnen agieren ruhig, geradezu sicher. Trotzdem wies der Premierenabend einen nicht zu unterschätzenden Wermutstropfen auf. Zu Beginn der Vorstellung begrüßte Svea Duwe das Publikum und beging den Kardinalsfehler schlechthin: Sie versuchte, ihre Arbeit zu erläutern. »Das ist keine normale Theaterproduktion, sondern ein Kunstwerk.« Gut zu wissen. »Was Sie hier sehen werden ...« Stop. Selber denken macht schön. Deshalb gehen wir ins Theater. Rico Stehfest
Nächste Vorstellung: 12.1.2014, 11 Uhr.
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