Reise nach Brüssel – »Die Reise nach Reims« in der Semperoper fällt durchwachsen aus

4. Oktober 2019 – »Die Reise nach Reims« ist eine der weniger bekannten Opern des italienischen Komponisten Gioachino Rossini. Bei dem 1825 in Paris uraufgeführten Werk handelt es sich um eine sogenannte Opera buffa, eine komische Oper also. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: Eine heterogene Gruppe Reisender aus aller Herren Länder versammelt sich im Hotel »Die goldene Lilie«, um von da aus den Weg zu Karl X. Krönungsfeier nach Reims zu reisen. Während des Hotelaufenthalts kommen die verschiedenen Charaktere miteinander in Berührung. Es wird gestritten, angebändelt und sich mit jeder Menge nichtigem Unfug beschäftigt. Als schließlich die Hiobsbotschaft verkündet wird, dass keine Pferde für die Reise bereitgestellt werden können, bewegt sich die Reisegesellschaft kurzerhand nach Paris, um dort einer Feier beizuwohnen.


Hinter all den absurden und komischen Szenen, die in »Il viaggio a Reims«, so der italienische Originaltitel, Platz finden, steckt jedoch (Wer hätte es gedacht?) auch politischer Ernst; so ist die Oper auch ein Kommentar zur Beziehung zwischen den verschiedenen europäischen Ländern, aus denen die Reisegesellen stammen. Wenig überraschend also, dass die italienische Regisseurin Laura Scozzi das Geschehen in ihrem Semperoper-Debüt dahin verlegt, wo heutzutage das europäische Schicksal verhandelt wird: in die Parlamentsräume der Europäischen Union.


Diese Entscheidung liegt gewissermaßen auf der Hand und ist durchaus sinnvoll, um dem Stoff Rossinis neue Relevanz zu verleihen und einen Kommentar zur Lage Europas abzugeben. Mit fratzenhaften Abbildern der Staatsoberhäupter treibt Scozzi das Ganze auch konsequent auf die Spitze, woraus wahrlich komische Szenen entstehen: Da gibt es beispielsweise eine inszenierte Talkshow, in der sich Emmanuel Macron und Angela Merkel gegenübersitzen. Macron buhlt dabei gewissermaßen um Merkels Gunst, bekommt neben der obligatorischen Raute am Ende jedoch nichts als eine Tracht Prügel von der Kanzlerin. Das kommt trotz all der Albernheit tatsächlich recht gut an, als Macron sich während des Gesprächs jedoch eine Gelbweste anlegt, offenbart sich auch das große Problem des Abends: Es fließen wahnsinnig viele Ideen ineinander, aus welchen sich jedoch über die gut 130 Minuten Laufzeit kein wahrer Fluss ergeben möchte.


Da reihen sich Gelbwesten-Proteste an eine strippende Queen, Virtual-Reality-Brillen folgen auf Merkel in Lederhosen … Ein Potpourri aus lauter verschiedenen Machenschaften des 21. Jahrhunderts wird irgendwie zusammen auf die Bühne geworfen, das Resultat wirkt collagenhaft. Die überspitzte Darstellung Putins, Johnsons, Macrons & Co. ist kurzweilig und stellenweise amüsant, driftet jedoch zuweilen auch in eine unangenehme Büttenreden-Rhetorik ab. Das mag dem satirisch-karikierenden Format entspringen, dennoch langweilt es irgendwann und trägt leider nichts Sinnvolles zu den angerissenen Themen bei. Das Publikum kann sich unbeirrt über »die da oben« beömmeln, ohne auch nur kurz Gefahr zu laufen, von der Inszenierung vor den Kopf gestoßen zu werden. Musikalisch hingegen gibt es überhaupt nichts zu meckern, die Umsetzung unter der Leitung von Francesco Lanzillotta gelingt fabelhaft. Dennoch: »Die Reise nach Reims« ist unterhaltsam, scheitert letztendlich jedoch an den eigenen Ideen.

Anton Schroeder, Fotos: Semperoper Dresden / Ludwig Olah

nächste Vorstellungen: 6., 9., 20., 25. Oktober und 4. November



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