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Keine Zeit für Teenage Angst – Pabst im Interview (Foto: Roberto Brundo)
Pabst im Interview (Foto: Roberto Brundo)
■ Pabst sind der heiße Scheiß – und das schon seit ein paar Jahren. Wer den Sound des Trios zum ersten Mal hört, mag kaum glauben, dass die Jungs mit ihrem zeitgeistigen Rocksound aus Berlin und nicht dem Nordwesten der USA kommen. Mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl unterhielten sich mit Erik und Tilman zwei Drittel der Band über Einflüsse, plakative Texte und die Freundschaft zu den Leoniden.

Euer Debüt erschien 2018, der Nachfolger »Deuce Ex Machina« dann im Juni 2020. Habt ihr durch die Zwangspause der Pandemie das Gefühl, die zweite Platte ist eher verloren? Was hat das Album bandintern für einen Status?

Tilman: Das Album ist eher zufällig in diese Zeit gerutscht, der Release war schon vorher angesetzt. Heute fühlt es sich tatsächlich ein wenig verloren an, weil wir nie eine Tour dazu gespielt haben. Zu den kommenden Konzerten im September haben wir jetzt ein neues Album im Gepäck. Man ist immer auf die neueren Songs fokussiert, die will man unbedingt live spielen. Die Songs von »Deuce Ex Machina« sind mittlerweile vier Jahre alt und jetzt ist der Zeitpunkt gefühlt verpasst. Während der Pandemie fehlte ja auch irgendwie das direkte Feedback.

Wie schon der Vorgänger erscheint das neue Album, »Crushed By The Weight Of The World« auf eurem eigenen Label »Ketchup Tracks«. Ein Weg, den man als Band heute geht?

Erik: Die Arbeitsweise von Labels ist etwas nervig geworden. Entweder man ist beim Indie und wird total abgezockt, oder es geht nichts, weil die keine Kohle haben – oder die Band landet bei einem Major und hat kaum Freiheiten, es sei denn man wurde gekauft. Deswegen haben wir entschieden, die eigene Label-Schiene zu fahren. Wir machen den ganzen Kram selber und das können wir auch einigermaßen. Alles, was darüber hinaus geht, übernimmt bei uns dann der Vertrieb.

Ihr habt schon vor Pabst die Erfahrung gemacht, gemeinsam in elektronischen Projekten zu spielen. Mit ein Grund, sich danach für die klassische Dreier-Besetzung einer Band zu entscheiden?

Erik: Tore, unser Schlagzeuger und ich haben vorher schon recht lange in Bands gespielt. Irgendwann war dann ein Punkt erreicht, an dem man sich nicht mehr zur Probe getroffen und einfach los gedaddelt hat, sondern es musste vorher schon ganz viel am Rechner zusammengemischt und irgendwelche Samples auf diverse Geräte gespielt werden. Da wir das nie richtig gut hingekriegt haben, entstand die Idee einer klassischen Bandbesetzung: Gitarre, Bass, Schlagzeug. Das ist in der Konsequenz zwar auch nicht viel einfacher, macht aber mehr Spaß.

Warum habt ihr mit »No Future? No Thanks!«, »Mercy Stroke«, »Daddy’s Boy« und »Locker Room« gerade diese vier Stücke vorab veröffentlicht?

Erik: Wir achten immer darauf, viele Singles herauszubringen, damit man auch lange etwas davon hat. Diesmal fehlten uns innerhalb der Band die Ideen, welche Songs die Singles werden sollen. Wir haben das dann mit unserem Team ausgedoodelt. Die Stücke mit den meisten Votes wurden vorab veröffentlicht.
Tilman: Unser Songwriting ist eh mehr auf das Single-Dasein getrimmt. Daher war es eher schwierig, sich zu einigen. Gefühlt hätten alle eine Single sein können.

Was ist für euch der Unterschied zwischen »Deuce Ex Machina« und »Crushed By The Weight Of The World«? Spielt da die Livetauglichkeit eine Rolle?

Tilman: Seit dem ersten Album ist die Herangehensweise, dass alles live auch unbedingt funktionieren muss. Wir sind keine Band, die im Studio alles Mögliche reinpackt und man es am Ende nicht mehr reproduzieren kann. Trotzdem bietet das Studio natürlich Sachen, die das Ganze interessanter machen. Overdubs sind so ein Thema. Da setzt auch das neue Album an. »Deuce Ex Machina« haben wir damals in der minimal möglichen Zeit aufgenommen. Jetzt hatten wir deutlich mehr Zeit und konnten mehr herumspielen. Auch Synthesizer hat man auf dem Album davor wahrscheinlich nicht so stark wahrgenommen. Ein Beispiel für eine Spielerei, die das Ganze noch etwas interessanter macht.
Tilman: Bei »Deuce Ex Machina« haben wir aufgebaut und die Songs eingespielt. Das blieb dann auch so. Diesmal haben wir es fast ein bisschen übertrieben, aber wir hatten für jeden Song auch ungefähr einen Tag Zeit. Das Schlagzeug wurde für fast jeden Song komplett umgebaut und umgestimmt. Auch bei Gitarre und Bass wurde immer mal umgestimmt, teilweise auch andere Verstärker und Gitarren benutzt. Einfach wie wir gerade Bock hatten und was gepasst hat – immer mit dem Anspruch, dass es im Proberaum und auf der Bühne funktionieren muss.

Seht ihr die Einflüsse der Band klar in den Neunzigern?

Tilman: 90er-Musik ist in vielerlei Hinsicht gar nicht so krass unser Steckenpferd. Gerade auch, was das Thema Grunge angeht, was bei uns häufig als Referenz aufkommt. Da bleibt hauptsächlich nur Nirvana übrig. Das war es aber auch schon an eindeutigen Sachen, an denen man sich vielleicht etwas orientiert. Bei uns ist das sehr durchmischt. Wir hören alle unterschiedliche Musik und machen nie Songs, die wie eine bestimmte Band klingen sollen. Das geht ja auch gar nicht.
Erik: Wir sind als Band nicht so krass versatil, sondern machen einfach was wir können. Einflüsse wird man sicher hören, aber am Ende sind wir Pabst.

War es von vornherein eine bewusste Entscheidung, auf Englisch zu singen?

Erik: In vorigen Bands mit Tore hatten wir aber auch Deutsch getextet. Das ist jetzt nichts, dem ich generell abgeneigt bin. Bei Pabst war aber schnell klar, dass es eher ein englisches Ding wird. Ästhetisch gehört das zum Genre, wie auch die Entscheidung für einen gewissen Gitarrensound. Ich fühle mich im Englischen auch ganz safe.

Erik, sind die Texte im positiven Sinne bewusst plakativ gehalten und taugen oft als Slogans?

Erik: Wenn ich schreibe und eine Zeile ist eher so Wischiwaschi, dann macht mich das nicht so glücklich. Zitierbarkeit finde ich seit jeher geil. Ich habe früher ganz viel Tocotronic gehört, die hatten das ja auch oft. Es gibt gute Texte, bei denen man nicht unbedingt sofort weiß, was sie genau bedeuten, trotzdem bleiben sie aber immer prägnant. Das mochte ich schon immer und versuche wohl auch, das unterbewusst durch zu kriegen.

Mit dem Song »Freaks« habt ihr ein Feature mit den Leoniden am Start. Wie kam es dazu?

Erik: Ich kenne Teile der Band schon sehr lange. Die Ex-Freundin vom Drummer war vor über zehn Jahren auch mal meine Mitbewohnerin. Irgendwann wurde die Band dann richtig erfolgreich. Dann hatten wir den gleichen Booker, haben öfters auf Festivals zusammen gespielt, uns noch näher kennengelernt, verstanden, gemerkt, dass wir ähnliche Wurzeln und Interessen haben und zusammen gespielt. Daraus wurde Freundschaft. Irgendwann hat Jakob, der Sänger, gefragt, ob ich nicht auch mal Bock hätte, bei einem Song zu singen.

Zitat: »I’m too fucking old for teenage Angst« vom Stück »No Future? No thanks!« Ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man nicht mehr so tun kann, als ob man noch 17 ist?

Erik: Tatsächlich genau das. In einigen Stücken geht es um die Frage, wie viel Verantwortung man hat und wie man damit umgehen kann. Viel ist auch retrospektiv, mit einem Blick in die Kindheit, oder die Vergangenheit generell.
Vielen Dank für das Gespräch!

Am 13. September 2022 gastiert Pabst live im Ostpol; mehr zur Band unter www.pabstrules.com/

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