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»Ick bin ein Berliner« – Feuilleton-Liebling Balbina im Interview
Feuilleton-Liebling Balbina im Interview
■ Feenhaft, verhuscht, anti-sexy – so kommt sie daher, die Hoffnung des Deutschpop. Die Feuilletons waren voll des Lobes über Balbina und ihre Platte »Über das Grübeln«. Herbert Grönemeyer nahm sie mit auf seine Tour. Im Oktober ist die Polin, die mit drei Jahren nach Berlin übersiedelte, zu Gast an der Elbe. DRESDNER-Autor Stefan Bast hat versucht, dem Phänomen Balbina etwas näher zu kommen und hat mit ihr unter anderem über das Grübeln sinniert.

Wie war es, mit Herbert Grönemeyer auf Tour zu sein?

Balbina: Es war überwältigend. Zwei Monate voller Adrenalin und familiärer Touratmosphäre. Ich blicke dankbar zurück und verarbeite die Emotionen teilweise immer noch.

Was hat sich in den letzten Monaten, als Sie überall euphorisch als die deutsche Pop-Hoffnung und Retterin des Genres gefeiert wurden, verändert?

Balbina: Ich bin sehr froh, dass Redakteure, die ich im Vorfeld immer geschätzt habe, mir ihr Ohr geliehen haben. Für mich persönlich bedeuten die positiven Kritiken, dass man mich verstanden hat, sich auf meine Welt eingelassen hat und ihr gerne lauscht. Ob das nun Kritiker sind oder Menschen in musikfernen Berufen, jeder einzelne davon macht mich glücklich. Ich weiß, dass ich nicht immer die leichteste Kost mache.

Der in Dresden geborene Schriftsteller Erich Kästner gehört zu Ihren Lieblingsautoren. Warum?

Balbina: Erich Kästner hat mich, als ich klein war, komplett in den Bann gezogen. Ich liebte seine Bücher. Als ich erwachsen wurde, lernte ich den Fabian kennen oder die Schule der Diktatoren. Außerdem lehrte er mich das wichtigste Prinzip für mein Leben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Sie lieben das Spiel mit Sprache. Warum die Entscheidung für die deutsche und nicht für die polnisch oder englische?

Balbina: Weil ich die deutsche Sprache am besten beherrsche. Ick bin ein Berliner. Außerdem liebe ich ihre ellenlangen Wortbildungsmöglichkeiten. Sehen sie? Wortbildungsmöglichkeiten! Das geht doch wirklich nur bei uns!

Was bedeutet Grübeln für Sie – Dasselbe, was der Duden sagt, nämlich »seinen oft quälenden, unnützen oder fruchtlosen Gedanken nachhängen«?

Balbina: Das stimmt auf jeden Fall, aber auch das Philosophieren ist für mich Grübeln. Das intensive Nachdenken über Sachverhalte. Der Duden ist etwas ungerecht, das Grübeln ist nicht nur negativ.

Über was grübeln Sie zurzeit am meisten?

Balbina: Warum Hass existiert. Das klingt so banal – aber ich frage mich, wo der Grund dafür liegt. Weshalb jemand freiwillig dieses Gefühl gegen jemanden anderen entwickelt und es bewusst leben möchte. Denn Hass richtet nicht nur andere zugrunde, sondern auch den Hassenden selbst.

Der visuelle Aspekt ist Ihnen sehr wichtig, was man u.a. in den Videos bewundern kann, aber auch auf Ihren Konzerten. Warum? Es lenkt ja auch immer ein wenig von der Musik ab...?

Balbina: Finden Sie? Das ist interessant. Für mich unterstützt er meine Art und somit meine Aussage. Ich könnte mir momentan nicht vorstellen, anders zu erscheinen. Das ist einfach Balbina, mit der akkuraten Frisur und den steifen Kleidern. Es wäre falsch für mich, einer aktuellen Mode nachzulaufen oder mich zu zwingen, alltäglicher zu erscheinen.

In den Texten spielen Alltagsthemen eine große Rolle. Was ist Alltag für Sie?

Balbina: Die Natur, die Uhrzeit, der Teppichklopfer, das Gespräch und ein Vanillegeruch. Alles das, was ich wahrnehme, ist Alltag. Und darin suche ich nach Antworten. Das ist für mich nicht alles zufällig da. Es ist ein kleines Wunder, dass wir leben, ich erforsche jeden Atemzug.

Ich habe gelesen, dass Kompromisse nicht Ihre Stärke sind. Aber funktioniert ein Leben ohne überhaupt?

Schwierig, Kompromisse sind wichtig und ich übe sie. Mit den Jahren – ich bin nun schon 32 – kann ich damit immer besser umgehen. Es gibt aber einen Bereich, in dem ich partout keine Kompromisse und Einwände zulasse – und zwar in meinen Texten.

Worauf dürfen sich die Dresdner beim Konzert freuen?

Balbina: Ich sage es mal so: Mein Ziel ist es, dass die Dresdner berührt und positiv (!) grübelnd nach dem Konzert heimkehren.
Vielen Dank für das Gespräch!

Balbina spielt am 13. Oktober in der Scheune; mehr zur Künstlerin: www.balbina.fm/

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