DRESDNER Interviews / O-ton!
»Ältere Männer tun manches, was anderen unverständlich bleibt« – Interview mit Sergei Leiferkus zu »Das schlaue Füchslein« an der Semperoper
Interview mit Sergei Leiferkus zu »Das schlaue Füchslein« an der Semperoper
■ Zunächst hört es sich recht niedlich und familientauglich an: Ein Förster bringt eine junge Füchsin mit nach Hause. Die stiftet Ärger, reißt aus, bringt die Hühner um und wird erschossen. Doch der 70-jährige Leoš Janáček schrieb eine Oper, 1924 uraufgeführt, die nicht nur durch ihre lyrische Klangfarbe bezaubert, sondern von der Schönheit der Natur, unerfüllten Sehnsüchten und vom Abschied eines alten Mannes vom Leben erzählt. Den Förster singt in der Inszenierung an der Semperoper, die am 18. Oktober Premiere hat, der russische Bariton Sergei Leiferkus. Diese Rolle, für die er zuletzt beim renommierten Glyndebourne-Festival vor zwei Jahren gefeiert wurde, ist ihm besondern nahe, wie er im Gespräch mit Jana Betscher erläutert.

Wo sehen Sie die Kernaussage des Stücks?

Sergei Leiferkus: Es ist eine sehr charmante, farbenreiche Produktion. Hier in Dresden ist es meine zweite Aufführung, vor zwei Jahren sang ich sie in Glyndebourne. Dieses Mal möchte ich den Charakter des Försters präzisieren, alle Ideen zu dieser Rolle verwirklichen. Denn es handelt sich um eine sehr komplizierte Geschichte. Auf den ersten Blick fängt der Förster einen jungen Fuchs, bringt ihn nach Hause und der Fuchs macht jede Menge Ärger. Doch welche Art der Beziehung zu der Natur steckt dahinter: Wer ist dieser junge Fuchs, warum verliebt er sich in sie? Was treibt den älteren Mann um?

Ist es eine erotische Beziehung?

Sergei Leiferkus: Erotische Elemente sind vorhanden. Denn der Förster entwickelt tiefere Gefühle als bespielsweise zu einem seiner Haustiere. Er sieht in diesem Fuchs eine schöne junge Frau. Die Beziehung zur Füchsin besteht ausschließlich in seinem Kopf, aber seine Gefühle sind sehr intensiv. Unsere Inszenierung ist allein seine Version der Geschichte. Für den Fuchs ist der Förster natürlich ein dummer hässlicher Mensch.
In dieser Geschichte stellen wir die Beziehungen her zwischen der Realität und den Träumen, der Realität und persönlichen Vorstellungen, der Realität und den Umständen, in denen wir uns bewegen. Es ist aber keineswegs eine Fabel oder absurdes Theater. Es lässt sich am ehesten als Trugbild beschreiben. Die Verwandlung findet im Kopf statt. Um Menschen in Tiere und umgekehrt zu verwandeln, wäre die Verkleidung der einfachste Weg, aber eine junge Frau einzuführen, die ein Fuchs ist, das lässt unsere Gehirne arbeiten.

Wie verändert diese unerfüllte Liebe den Förster?

Sergei Leiferkus: Man muss sich gewahr werden: Es ist die letzte Liebe seines Lebens. Das passiert manchmal Männern in der Midlife-Krise, und dann tun sie Dinge, die anderen unverständlich sind. Es gibt nicht wenig 60jährige, die steigen plötzlich vom Auto aufs Rad um, sie nehmen ab, um wieder eine jugendliche Erscheinung. Dies sind gewöhnlich Anzeichen für die Liebe zu einer jungen Frau. So ist es auch in unserer Inszenierung: Wenn der Förster Hoffnung schöpft, ist er ein junger Mann. Und er fällt in sich zusammen, wenn die Hoffnung schwindet, er wird wieder alt und grimmig. Dies zu verkörpern ist sehr interessant für mich, ich spiele ja auch ein wenig mich selbst. Es ist aber auch sehr anstrengend, ich bin ja auch nicht mehr ganz jung und stehe in dieser Inszenierung von der ersten bis zur letzten Szene auf der Bühne. Und Sie können darauf wetten, dass alle älteren Männer, die das Stück sehen, sagen werden: Das passiert mir doch nicht. Denn Hoffnung ist das, was uns aufrecht erhält.

Aber hinter der Geschichte verbirgt sich doch auch Grundlegendes über die Welt, über die Natur?

Sergei Leiferkus: Das ist die vielschichtigste Geschichte der Opernwelt. So stellt sich die große Frage, ob der Förster am Ende stirbt, ob er schläft oder vollständig in der Natur aufgegangen ist. Wir wissen es nicht. Die Musik suggeriert ein Happy End, aber wir wissen auch, dass die Menschen im Augenblick ihres Todes Momente des Glücks erleben. Diese Frage muss das Publikum für sich entscheiden.
Und welche Lehren können die alten Männer daraus ziehen, wenn sie das Stück sehen, wird die Hoffnung oder die Enttäuschung obsiegen.
Vielen Dank für das Gespräch.

»Das schlaue Füchslein« Oper von Leoš Janáček mit Text vom Komponisten nach Rudolf Těsnohlídeks gleichnamiger Novelle. Premiere am 18. Oktober (in tschechischer Sprache mit deutschen Übertiteln) in der Semperoper; weitere Aufführungen: 21. & 27. Oktober. P.S. Herzlichen Dank auch an Daphne. Mehr zum Stück unter www.semperoper.de/spielplan/stuecke/stid/fuechslein/60435.html#a_23041

« zurück