The Notwist sind wieder da. Aus der bayerischen Provinz heraus mit dem Neuzeit-Klassiker »Neon Golden« in der Pop-Rezeption einst zu den deutschen Radiohead und einer nicht nur einheimischen Indie-Instanz mutiert, veröffentlicht der derweil gut bartbewachsene Dreier nach sieben Jahren Abstinenz sein nunmehr 8. Album und schafft es dabei erneut, über die Zeit eingeschärften Qualitäten ein Mehr hinzuzusetzen. Denn auch wenn sich charakteristische Notwist-Soundsignaturen als albumübergreifende Konstante auch in »Vertigo Days« einschreiben – zu hören unter anderem auf der kosmisch angehauchten Ballade »Into Love/Stars« oder der beschwingten Indietronica-Perle »Where You Find Me« – verlagert sich das Klangbild hin zu mehr Organik und polyrhythmischem Geklöppel und weg von der experimentellen, stark von dem inzwischen ausgeschiedenen Mitglied Martin Gretschmann aka Console geprägten Knister- und Frickelelektronik aus dem Kühlfach, die besonders den Vorgänger »Close to the Glass« noch bestimmte. Erstmals verdeutlicht sich diese Zäsur bei »Ship«, das sein krautiges Grundambiente mit fernöstlichen Vibes würzt, die die japanische Kollaborationspartnerin Saya mitgebracht haben dürfte. Ohnehin wird Kollaboration auf »Vertigo Days« zum Prinzip erhoben und verleiht dem Album durch seine transkulturelle Impulsdiversifizierung und Genregrenzen sprengenden Stilshifts ein mondiales Flair. Kaum verwunderlich also, dass »Oh Sweet Fire« (feat. Ben LaMar Gay) klingt als wäre es aus einem Gorillaz-Album ausgebüchst und sich das treibende »Al Sur« mit Juana Molina klangästhetisch nahtlos in eines ihrer eigenen Werke fügen würde. The Notwists einzigartige Metamorphose ist also auch nach über 30-jährigem Bestehen noch nicht abgeschlossen und macht deutlich, dass mit dieser Band auch in Zukunft immer zu rechnen ist.