Die Himmel im Kopf und die Hölle auf Erden: Derevo eröffnet in Hellerau die Tanzwoche
Nach mehreren gemeinsamen Arbeiten mit dem Akhe-Theater aus St. Petersburg überraschen Derevo mit ihrem »Infernal Ball«, einer lyrischen Arbeit, die durchaus ein bisschen an alte Zeiten erinnert, in mehrfachem Sinn. Verantwortlich für das große Ganze zeichnet dieses Mal Elena Yarovaya, eines der Derevo-Urgesteine. Gemeinsam mit der Yvette Bozsik Company aus Budapest hat sie ein ruhiges Stück geschaffen, das deutlich im Kontrast zum geradezu anarchischen Ansatz von Akhe steht.
Grundlage sind hier Motive von Nikolai Gogol, die in Form skurriler Figuren einen Autor in unschuldigem Weiß umschwirren, der mit seiner Tolle durchaus an Gogol erinnert. Er ist gepeinigt von der Absenz der Muse. Zwar eilt ihm diese zur Seite, für den nötigen Kuss sorgend, trotzdem werden die geistigen und seelischen Widersprüche der »Dichterseele« deutlich, wenn die Muse auf eine Art Gegenspielerin trifft.
Das hat etwas Altmodisches, geradezu Entrücktes: Die Werkzeuge des Autors sind Federkiel und Tintenfass. Umgeben ist er von überdimensionierten, abgegriffenen Büchern.

Dieser Abend ist ganz zweifellos einer im Schwinden begriffenen Kulturtechnik gewidmet. Damit ist nicht allein die Handschrift gemeint, sondern auch ganz allgemein eine Form des kreativen Schaffens durch Kontemplation. Nicht zuletzt wird hier auch geistige Freiheit in Frage gestellt. Ausgerechnet eine Phalanx aus hemdsärmeligen, maschinell arbeitenden Stubenschreibern ist es, die zur ekstatischen Zerstörung einer Unzahl von Büchern ansetzen. Weltlich geschindet wäre dieser Autor gänzlich allein in der Welt, gäbe es nicht seine Figuren, die ihn feiern und hochleben lassen. Sie sind ihm gut, schon allein dadurch, dass sie sind. Aber über alles herrscht eine Art dunkler Instanz, Schergen in dunklen Kapuzenmänteln, denen der Federkiel ein fremder Gegenstand und das körperliche Quälen des Autors jungenhafte Freude sind.
Die Muse hinkt auf einer Krücke daher, der Autor wird geradezu zum Märtyrer. Noch auf dem Grab zupft er einem vorbeikommenden Engel eine Feder aus dem Flügel. Nur, um schreiben zu können. Ein Aufbäumen, das keine Grenzen kennt. Selbst im Tod scheint er noch vor der dunklen Masse zu flüchten. Bis nur noch die weiße Feder aus jener Masse herausragt, Mahnung wie siegreiches Symbol zugleich. Und am Ende, ganz zum Schluss, beginnen die riesigen Bücher auf der Bühne zu tanzen. Das bedarf keiner weiteren Worte. Rico Stehfest/ Fotos: Judit Horvarth

Nächste Vorstellungen: 20. & 21.4.2014, jew. 20 Uhr, Festspielhaus Hellerau.



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