■ Kennengelernt haben sich Demian Kappenstein und Inéz Schaefer über gemeinsame Freundeskreise an der Dresdner Musikhochschule. Demian war gerade fertig mit seinem Schlagzeugstudium, als Inéz ihr Gesangsstudium begann. Nach ihrem Abschluss wiederum stellte Inéz ihre eigene Band zusammen, in der Demian trommelte, und damit fängt die Geschichte von Ätna an. Ein Pop-Duo, das nicht nur den Jurypreis beim sound of dresden 2017 gewann, sondern sowohl bei Jazzfestivals als auch in schwitzigen Clubs mit außergewöhnlichen Sounds und Beats überrascht und inzwischen auch international schwer nachgefragt ist. DRESDNER-Redakteur Heinz K. hat Demian Kappenstein zu Ätna und anderen Projekten befragt.
Laut Eigenaussage entsteht der Ätna-Sound ohne Computer, dafür tragt ihr jede Menge Menge Effektgeräte auf die Bühne. Wie genau entsteht denn eure Musik?
Demian Kappenstein: Vieles entsteht bei der Jam im Proberaum. Inéz sammelt eigentlich ständig Ideen. Mit den Grundideen und Schnipseln kommt sie dann zur Probe, wo wir uns gemeinsam überlegen, was wir noch dazu machen können. Wenn das dann eine Form bekommen hat, wo wir sagen, wir können jetzt nichts mehr hinzufügen und stehen dahinter, dann treffen wir uns für ein oder zwei Tage mit unserem Produzenten Moses Schneider in Berlin, spielen ihm das vor und meist fällt ihm dazu gleich auch etwas ein. Etwa, dass er sagt: »Zum Schluss geht der Song nicht auf, oder da braucht es noch eine Steigerung, oder die Idee trägt nicht.« Damit gehen wir nach Hause und überlegen, ob wir die Tipps anwenden wollen oder nicht.
In eurem Sound finden sich fernöstliche Anklänge, exotische Rhythmik und Jazz-Anleihen in einer Popsong-Struktur. Was ist es denn eigentlich, was ihr da spielt – Ethno, Pop, Jazz?
Demian Kappenstein: Ich würde sagen, dass es keine spezifische Stilistik ist. Wenn man zum Beispiel ein bestimmtes Harmoniegerüst oder eine bestimmte Art von Groove verwendet, kann man sich auch darauf verlassen, dass man den Sound mit einem Wort wie etwa »Bluesrock« beschreiben könnte. Dann wüssten ganz viele Leute, dass sie das mögen. Oder eben nicht. Das vereinfacht vieles, aber in unserem Fall finde ich es schön zu sagen, da sind Stimme und Schlagzeug, Songs, Beats, Elektronik. Da ist ein Trommler und eine Sängerin, die machen sehr viel. Die Leute sind erstaunt, dass die Musik bei uns im Moment entsteht und dass da niemand am Computer auf Start drückt.
Demian, du bist in vielen Projekten involviert, spielst seit zehn Jahren im Trio des »Feature Ring«, bist mit Masaa und für dein Soloprojekt »Weit« in der halben Welt unterwegs, hast die Mitsingzentrale miterfunden, mit Ätna die Debüt-EP produziert und startest nun bald mit einer Tour. Was treibt dich an?
Demian Kappenstein: Es ist immer eine gute Portion Zufall dabei – sowohl in der Musik, als auch wie es zu den Projekten gekommen ist. Mir passiert es oft, dass ich irgendwo etwas entdecke, und sei es ein Stück Schrott. Da kommen mir schon Ideen, was ich daraus machen könnte. Und so ist das mit den Bands auch. Ich habe die Mitmusiker meist durch schöne Zufälle kennengelernt: Im Falle vom Ring Trio beim Studium und bei Masaa ist es der Sänger, zu dem mir immer etwas einfällt. Insofern ist bei mir der Zufall der rote Faden. Ich nehme die Situationen so, wie sie sind und möchte möglichst viel daraus machen. Abwechslung ist auch eine Motivation. Abwechslung, in dem Sinne, dass sich die Dinge gegenseitig befruchten. So wie etwa das Projekt »Weit« mit der Inspiration »Reisen, Bilder und Orte« hauptsächlich durch die Reisen mit Masaa entstanden ist. Da kommt die Frage auf, wie denn so unterschiedliche Musik wie freie experimentelle Improvisation mit Masaa mit sehr klar strukturierter Popmusik à la Ätna zusammengeht. Ich sehe da keinen großen Unterschied: Es muss immer grooven, eine spannende Form haben und es muss dynamisch sein. Das sind grundsätzlich geltende Parameter, egal welche Musik ich mache.
Wie passt das denn mit der Mitsingzentrale in der Scheune zusammen, die du gemeinsam mit Reentko Dirks veranstaltest?
Demian Kappenstein: Die Idee zur Mitsingzentrale ist dadurch entstanden, dass Reentko nicht nur die üblichen Lagerfeuerklassiker der 70er und 80er drauf hat, sondern irgendwie alles aus dem Stehgreif mit der Gitarre nachspielen kann. Zur leidenschaftlichen Beschäftigung mit Popmusik gehört ja auch, dass man nicht nur die Lieder mitsingt, sondern dass einem dann auch gleich Hintergrundinformationen zu den Backstreet Boys oder Cat Stevens einfallen. Es ist ganz simpel: Wir sind zu zweit und der Text wird auf die Leinwand projiziert. Es muss keiner etwas kennen oder können, niemand muss auf die Bühne. Alle sitzen gemütlich in der Dunkelheit und singen zwei Stunden komplett durch. Das ist wie nach einer Therapiesitzung – eine Riesenfreude! Das wollen wir auch an zwei oder drei Abenden beim Schaubudensommer machen und dann geht es nach der Sommerpause mit der Mitsingzentrale einmal monatlich weiter.
Ihr wohnt ja nun beide in Dresden. Welchen Bezug habt ihr denn zu einer Stadt, die ja nicht unbedingt als weltoffen und progressiv empfunden wird?
Demian Kappenstein: Künstlerisch betrachtet finde ich die Stadt, ihre Geschichten und die Menschen, die hier leben, extrem ergiebig. Ebenso die Kulturszene. Ein Song von uns, »Shut Your Mouth«, ist in erster Linie musikalisch, aber auch thematisch und textlich durch die Banda Comunale/Internationale inspiriert. Wir sind schon sehr verwurzelt hier, was man auch an unserem aktuellen Video »Remission« sehen kann, was wir in der Skulturensammlung gedreht haben. In Konzerten verwenden wir Intros mit Klängen aus unserer Umgebung. In Berlin etwa haben wir ein Intro verwendet, das den Wahlkampf zum Referendum in Istanbul den Pegidisten gegenübergestellt, die »Lügenschrott« schreien. Dresden gibt sehr viel her und ich finde, es gibt eine Verantwortung, sich zu bestimmten Sachen zu äußern. Ich will niemanden missionieren und ich muss auch nicht in jedem Satz eine klare Haltung äußern oder eine Aussage treffen, aber ich finde es extrem spannend, Leuten von außerhalb ein noch vollständigeres Bild von dem zu geben, was hier so abgeht, welche Ängste und Gedanken, welche Kultur und welchen Kunstbegriff die Leute hier haben.
Wohin soll die Reise mit Ätna noch gehen?
Demian Kappenstein: Auf jeden Fall wollen wir möglichst viele Menschen in Deutschland und anderen Ländern erreichen, dafür ist die Sprache und der Sound international. Wenn man den Ätna-Sound hört, würde man nicht sagen, dass der explizit deutsch oder europäisch ist. Wir waren ja kürzlich in Istanbul für ein Wochenende, und bald sind wir für zwei Wochen quer durch Russland unterwegs.
Ätna ist am 9. Juni, 18.30 Uhr im Doppelkonzert mit den Grandbrothers in der Lutherkirche Radebeul im Rahmen des Festivals »Xjazz-Edition Radebeul« live zu erleben. Die nächste Ausgabe der Mitsingzentrale steigt am 13. Juni in der Scheune und Masaa spielt am 18. Juni in der Tonne das Record-Release-Konzert zum Album »Outspoken«. Mehr zur Band: http://atnaofficial.com/