■ Schwere See und Gegenwind sind Metaphern, die das letzte Jahr der Küstenpunker gut beschreiben dürften. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach mit Sänger Jan »Monchi« Gorkow und Trompeter Max Bobzin über anonyme Vorwürfe sexualisierter Gewalt, neue Musik und Konzerte in Garagen.
Wie glücklich seid ihr heute mit euren ersten Reaktionen auf Anschuldigen gegen Monchi der Internetseite »Niemand muss Täter sein«?
Monchi: Da bin ich sofort im Text von unserem Lied »Gib mir mehr«. Da heißt es: »Schlaue Tipps – überall nur reichlich«. Die habe ich im letzten Jahr ordentlich bekommen. Es gab bestimmt Sachen, die wir hätten besser machen können. Schlussendlich sind wir uns aber total treu geblieben, indem wir gesagt haben, wenn was ist, dann meldet euch. Wir wollten es nicht klein machen, sondern ansprechbar sein. So haben wir es dann auch gehandhabt. Deswegen ist es schwierig zu sagen, was man hätte anders machen sollen, damit es nicht so groß geworden wäre.
Max: Man muss dazu auch sagen, dass wir noch nie in so einer Situation waren. Es gab keine Erfahrungswerte, auf die man hätte zurückgreifen können. Wir wussten nicht, womit man es zu tun hatte und wissen bis heute nicht, um welche Vorwürfe es sich eigentlich konkret handelt. Am Anfang hat es uns ganz schön aus der Bahn geworfen, dann aber haben wir unseren Weg gefunden, damit umzugehen. Die Sache hat uns auch im Künstlerischen ordentlich Zeit gekostet. Wir konnten monatelang keine Musik machen, sondern waren nur damit beschäftigt. Irgendwann war es uns wichtig, sich wieder auf die Musik zu konzentrieren, um so aus diesem Loch herauszukommen. Aber klar, viele Sachen hätten wir uns auch gerne erspart.
Die beiden ehemaligen Mitglieder Jacobus North und Christoph Sell haben in ihrem Statement zum Weggang aus der Band auch auf die Vorwürfe Bezug genommen ...?
Monchi: Die sind nicht deswegen weggegangen, auch wenn es nach außen so gewirkt hat. Die beiden waren schon locker über ein Jahr raus aus der Band. Zu der Zeit haben wir schon lange mit Hauke geprobt.
Max: Über die Motive der beiden, können wir nur spekulieren.
Das Landgericht Stralsund hat die Vorwürfe im letzten November als Verleumdung eingestuft. Dann kam im Internet der Vorwurf auf, ihr hättet zuvor eine Anzeige gegen die Urheber der Internetseite abgesetzt ...?
Monchi: Was meinst du, wie oft ich mit mir gehadert habe und wie viele Leute mir geraten haben, anzuzeigen. Ich habe es aber nicht gemacht. Darüber werden nun wieder bewusst Lügen verbreitet, ich hätte Leute angezeigt, verklagt oder sogar 50.000 Euro bekommen. Was da oft stehen bleibt, ist das Internet als einer der dümmsten Orte auf der Welt. Wir wollen uns reflektieren und mit Sachen auseinandersetzen, aber dieses Spiel spielen wir nicht mehr mit und lassen uns nicht mehr wie Scheiße darstellen. Das mussten wir aber erst lernen. Wären wir innerhalb der Band keine so guten Freunde, würden wir so was nicht durchstehen. Raus aus dem Internet, rein in die Realität, Musik machen, auf der Straße weg vom Handy, das ist die einzige Variante, mit der du da halbwegs durchgehen kannst und nicht zum Vollidioten wirst.
»Komm mit aufs Boot«, das zweite Stück eurer neuen Platte ist auch Titel der Tour. Die Ostsee ist und bleibt für euch Ruhepol und wichtiger Fixpunkt?
Monchi: Für mich absolut. Vier von uns wohnen immer noch in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn ich mir irgendwas wünschen könnte, dann so lange es geht da zu bleiben. Egal welchen Stress es gibt, immer wenn ich an der Ostsee war, ging es mir danach noch nie schlechter. Das ist wie Sport machen. Ich habe auch den Binnen- und Seebootsführerschein gemacht.
Max: Da habe ich schon von profitiert und durfte schon mal mitfahren.
Ihr habt Hauke Segert, das neue Mitglied an der Gitarre schon erwähnt. Den Song »Tut mir leid« hat er nicht nur mitgeschrieben, sondern singt ihn auch gleich. Beschreibt der hier thematisierte Aspekt des »Losziehens« die DNA der Band?
Monchi: Klar. Bei sich bleiben, aber nicht stehen bleiben. Raus zu den Leuten. Ich weiß, wo meine Wurzeln sind, aber ich habe auch keinen Bock zu versauern. Die Zeile »Tut mir leid, ich muss losziehen«, das kennt ja jeder von uns, also die eigenen Leute für eine gewisse Zeit zurückzulassen. Bei uns erzählen die Strophen oft von sehr persönlichen Sachen. Im Refrain versuchen wir dann einen Nerv zu treffen, damit sich viele Leute wiederfinden können. Es geht darum, die Menschen zu berühren, indem man einfach geradeaus redet.
Wie kam es dazu, dass Hauke das Stück auch singt?
Max: Er hatte irgendwann einen Song. Eine instrumentale Version, von der aus wir dann in der Regel gemeinsam überlegen, wohin die Reise geht. Hier haben wir am Anfang ein bisschen gebraucht, weil die ersten ein zwei Sachen textlich nicht so richtig gepasst haben.
Monchi: Hauke wohnt in Rostock, nicht weit von mir weg. Wir haben viel in seiner und in meiner Bude gesessen und herumgedacht. Es ging um das besondere Gefühl in dem ganzen Wahnsinn, den er schon miterlebt hatte. Einen Traum leben und darüber zu schreiben. Neue Wege gehen bedeutet auch immer alte Sachen nicht mehr so intensiv betreiben zu können. Andererseits war eins seiner ersten Konzerte vor 40.000 Leuten und wenn wir jetzt eine eigene Tour spielen, dann reden wir davon, teilweise vor 8.000 Leuten zu spielen. Nach den Coronajahren das wieder spielen dürfen ist Wahnsinn und ein Gefühl, in das sich viele Leute sicher hineinversetzen können. Für mich ist Feine Sahne Fischfilet eine Gang, im Guten wie im Schlechten. Hauke ist ein Teil davon und nicht irgendein Gastmusiker.
Wie fühlt es sich an, dass »Alles glänzt«, wie schon der Vorgänger »Sturm & Dreck« wieder Platz 3 der Charts erreicht hat und sogar in den legendären Kreuzberger »Cortex Records Charts« zum Zeitpunkt des Interviews die zweite Woche auf Platz 1 steht?
Max: Es ist der absolute Wahnsinn. Hätte uns das vorher einer gesagt, hätten wir das nicht geglaubt. Wir sind einfach nur stolz mit unserem eigenen Label so was geschafft zu haben.
Wer kam auf die Idee der Garagenkonzerte, wie viele Bewerbungen gingen ein und wo werdet ihr letztendlich spielen?
Max: Das passte einfach unglaublich gut zu unserem Cover und deshalb mussten wir das einfach machen. Es waren letztendlich an die 400 Bewerbungen und wir wollen in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern spielen.
Bitte vervollständigt jeder für sich den Satz: Feine Sahne Fischfilet 2023, das ist ...?
Monchi: Die geilste Feine Sahne, die es bis jetzt gab.
Max: Freundschaft.
Feine Sahne Fischfilet sind mit Clowns & Hinterlandgang als Support am 15. Juli 2023 zu den Filmnächten am Elbufer zu erleben. Mehr zur Band: www.feinesahnefischfilet.de/