■ Der September ist vollgepackt mit so vielen Leseveranstaltungen wie selten zuvor. So auch wieder das Festival »Literatur Jetzt!«, das Ende des Monats im Zentralwerk stattfindet. Wie immer mischt sich dabei Literatur in all ihren Formen mit Musik und Entertainment, mit Darstellender und Bildender Kunst. DRESDNER-Autorin Rosa Preißler hat mit sich Juliane Hanka (Foto: Susann Bürger) vom veranstaltenden Verein »Literatur Jetzt!« über Brigitte Reimann, postmigrantische Literatur und natürlich das Festivalprogramm unterhalten.
Juliane, warum ist das Thema Ostdeutschland oder der Ost-West-Konflikt dieses Jahr so präsent?
Juliane Hanka: Unser Festival heißt »Literatur Jetzt!« – das ist eine Ansage. Deshalb richten wir uns sehr stark nach den Themen, die gerade diskutiert werden und über die Bücher erscheinen. Das Thema Ost-West hat viele Metamorphosen durchgemacht und ist jetzt an einem Punkt angekommen, an dem eine neue Generation darüber redet und sagt, dass es zwar diese Brüche gegeben hat, dass es aber auch eine Qualität hat, diese ostdeutsche Vor- und Nachwendebiografie zu haben. Wir versuchen, dieses Spannungsfeld auszuloten.
Ein Ost-Abend ist auch der Mittwochabend, an dem »Die Geschwister« von Brigitte Reimann vorgestellt wird. Im Programm heißt es, der Abend könnte »Reimann-Fans einer neuen Generation hervorbringen«. Warum?
Juliane Hanka: Brigitte Reimann ist eine DDR-Schriftstellerin, die wiederentdeckt wurde – und zwar nicht nur auf dem deutschen Markt, sondern international. Das Spannende an ihr ist, dass sie sich an diesem System gerieben hat – und dass sie aber trotzdem gedacht hat, eine Zukunft darin zu haben. In ihrem Roman versucht die fiktive Figur, ihren Bruder zu überzeugen, nicht auszuwandern. Brigitte Reimann wollte ihr Umfeld mitgestalten, ist dabei aber immer wieder an ihre Grenzen gestoßen. Unter diesen Umständen hat sie geschrieben und dieses Leben in der Grauzone literarisch sehr subtil ausgelotet. Durch einen Glücksfund können wir jetzt erstmalig die unzensierte Version lesen – also das, was sie wirklich geschrieben hat, bevor es vom Regime abgeändert wurde.
Worauf freut Ihr Euch als Veranstalter am meisten, und welche Programmpunkte sind euch wichtig?
Juliane Hanka: Ich denke, ein Spektakel wird auf jeden Fall Sophie Rois, weil sie eine »geile Sau« ist. Dass sie kommt, ist für uns ein großes Glück. Sie liest aus den Tagebüchern von Patricia Highsmith, und ich denke, das passt sehr gut. Beide sind sehr exaltierte Bühnenpersönlichkeiten, das heißt, die eine war und die andere ist es noch. Als nächstes empfehle ich Clemens Meyer mit der Graphic Novel »Street Cop«. Und natürlich, nicht zu vergessen, »Literatur Fetzt!«, das Kinderlesefest am Sonntag. Da wird uns jedes Jahr die Bude eingerannt.
Postmigrantische Literatur spielt auch eine große Rolle, was kannst du uns dazu sagen?
Juliane Hanka: »Herkunft und Zukunft« ist eine der Reihen, die wir jetzt gerade etablieren. Das war letztes Jahr einer der beeindruckendsten Abende. Wir setzten uns dabei damit auseinander, wie unterschiedlich man eigentlich auf ein und dieselbe Sache, dieses Deutschland nämlich, schauen kann. Es stellt sich immer die Frage: Wer ist eigentlich mit »wir« gemeint, wenn wir von Deutschland reden? Wozu entscheiden wir uns und welche Stimmen werden überhaupt gebracht? Da ist bei uns ganz stark natürlich die Türkisch-Kurdische Literatur dabei, auch dieses Jahr wieder. Wir übersetzen nur das, was auf dem Buchmarkt passiert, und da ist es eindeutig: Die letzten zwei bis vier Jahre hat die Beschäftigung mit der postmigrantischen Literatur ganz stark zugenommen, wodurch nun andere deutsche Stimmen gehört werden, und das wird auch höchste Zeit.
Literatur Jetzt! findet vom 20. bis zum 24. September im Zentralwerk statt; Programm und Tickets unter www.literatur-jetzt.de