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Pendeln zwischen Experiment und Tradition – Die neue Direktorin des Kunstgewerbemuseums Tulga Beyerle sucht Anschluss an die internationale Designerszene
Die neue Direktorin des Kunstgewerbemuseums Tulga Beyerle sucht Anschluss an die internationale Designerszene
■ Tulga Beyerle hat 2007 die »Vienna Design Week« mitgegründet und seither auch mit geleitet. Dieses Designfestival hat mit dem Kunstgewerbemuseum in Pillnitz noch weniger gemein als das Centre Pompidou mit dem Zwinger. Trotzdem ist Beyerle seit Kurzem Direktorin des besagten Museums. DRESDNER-Redakteur André Hennig hat sie gefragt, was sie hier vorhat.

Was hat Sie bewogen, sich für die Leitung der wahrscheinlich unbekanntesten Zweigstelle der Staatlichen Kunstsammlungen zu bewerben?

Tulga Beyerle: Zum einen war es nach sieben Jahren Vienna Design Week Zeit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Das Festival ist super, aber ich brauche eine neue Herausforderung. Zum anderen interessiert es mich schon lange, in einer Institution wirken zu können, weil man in einer Institution viel nachhaltiger arbeiten kann als mit einem Festival. Ein Festival ist ein temporäres Fest, wo man etwas herrlich inszenieren und präsentieren kann, aber es ist dann auch wieder weg. In einem Museum ist es möglich, über Jahre hinweg Themen zu entwickeln und konsequent daran zu arbeiten.

Dresden ist nicht gerade als Hotspot der internationalen Designszene bekannt und das Museum ist eher historisch orientiert. Was reizt Sie an der Stadt und an gerade diesem Haus?

Tulga Beyerle: Zum einen hat mich gereizt, dass hier nicht alles bereits perfekt durchdekliniert und in eine zeitgenössische Diskussion überführt wurde, dass so viel Entwicklungspotenzial da ist. Dadurch habe ich eine wahnsinnige Fülle an Projekten, die ich umsetzen muss, aber auch eine große Freiheit. Dann hat mich ganz konkret die Nähe der Stadt zu Polen und Tschechien begeistert – beides Länder, die eine extrem lebendige Designszene haben. Als Designexpertin interessiert mich aber auch die hiesige Produktionskultur. Es gibt eine Glastradition, eine keramische Tradition, eine Textil- und eine Porzellantradition. Ich treffe hier zwar nicht auf eine Designszene, aber auf eine tolle Produktionskultur – damit lässt sich sehr viel machen.

Die Marketing-Abteilung Ihres Arbeitgebers verkündet, die Zeichen stünden auf Aufbruch und versprechen für die Zukunft des Kunstgewerbemuseums ein »lustvolles Pendeln zwischen Experiment und Tradition« – was erwartet den im Durchschnitt doch eher traditionell orientierten Pillnitzbesucher?

Tulga Beyerle: Es gibt den traditionellen Pillnitzbesucher, der vor allem in den Park kommt, das sind die Meisten. Es wäre meine Aufgabe, und die ist schwierig genug, diese Leute ins Museum zu bekommen. In Bezug auf die ersten beiden Ausstellungen – »WerkStadt Vienna« und »Rochaden«, die ja beide mit zeitgenössischen Designern arbeiten, aber sich einmal mit traditionellen Manufakturen auseinandersetzen und einmal mit der Sammlung an sich – erlebe ich jetzt schon, dass die traditionellen Besucher da sehr gut mitgehen. Lustvolles Pendeln zwischen Tradition und Experiment heißt einfach, dass ich die Schätze, die die Sammlung hat, nicht ignorieren, sondern neue Möglichkeiten zu ihrer Erschließung suchen werde – mit großem Respekt vor dem Bestand, aber mit neuen, experimentellen Wegen der Präsentation. Da geht auch der traditionelle Dresdner mit, wenn ich ihn abhole, glaube ich.

Das Hauptaugenmerk liegt also auf der ständigen Ausstellung?

Tulga Beyerle: Das wird parallel laufen. Klar ist, dass ich die Dauerausstellung neu ausrichten werde, in den kommenden vier bis fünf Jahren. Das wird mich aber nicht daran hindern, in verschiedensten Sonderausstellungen immer wieder Themen zu finden oder aufzugreifen, die populär sind, und sie trotzdem spannend umzusetzen.

Während Sie mit »Rochaden« und »WerkStadt Vienna« Interventionen in der ständigen Ausstellung geschaffen haben, wird ab September mit einer Schau des tschechische Designkollektivs Okolo die seit langem erste echte Sonderausstellung im Kunstgewerbemuseum zu sehen sein. Worum geht es da?

Tulga Beyerle: Das ist wahrscheinlich die schwierigste Ausstellung für den traditionellen Besucher. Es geht ums Sammeln. Okolo haben sozusagen ihre eigene Designgeschichte geschrieben und auf einem Blog vorgestellt. Mich interessieren diese Art von Plattformen, die sehr gut vernetzt sind und ich biete ihnen eine Plattform hier und vernetze mich dadurch automatisch mit einer Generation, die ich schließlich auch brauchen werde. Abgesehen davon, dass ich die Dresdner wieder an das Museum heranführen möchte, ist es mein erklärtes Ziel, das Museum in der internationalen jungen Designszene zu verankern – als einen Ort, wo solche Diskussionen stattfinden, in dem Fall über das Sammeln.

Was wird denn gesammelt, worauf richten Okolo ihr Augenmerk?

Tulga Beyerle: Wir haben einen Raum, wo sie aus unseren Beständen Ausstellungsmöbel sammeln, also die Vitrine oder das Podest – das Objekt also, wo die Sammlungen hineinkommen. Dann sammeln sie Aussagen von Leuten, die sich mit Sammeln beschäftigen, über ihre Beweggründe. Außerdem gibt es einen Raum, wo verschiedene Sammlungsthemen definiert werden. Zum Beispiel Erfahrungen, aber auch materielle Dinge wie Verpackungen, Sportgeräte oder Objekte, die ein hohes Maß an aufwendiger Dekoration in sich tragen, und eine Sammlung beschäftigt sich sozusagen mit dem Nicht-Design, dem ganz Reduzierten, dem Ikonischen, immer schon Dagewesenen.

Sechs Monate im Jahr liegt das Museum in Pillnitz im Winterschlaf. Was machen Sie in dieser Zeit? Man munkelt von einer Ausstellung im Lipsiusbau!?

Tulga Beyerle: Die wird Anfang März nächsten Jahres stattfinden, das Thema ist ganz klar: das Kunstgewerbemuseum und die neuen Aktivitäten, die dort stattfinden, vorzustellen. Ich suche gerade nach Mitteln, mit denen wir das inhaltlich auf eine lustvolle Art und Weise tun können und werde eng mit einem Gestalter zusammenarbeiten, der nicht die klassische Ausstellungsarchitektur macht. Ich hoffe, mit Inszenierung und Gestaltung über den klassischen Museumsbesucher hinauszugehen und auch ein junges Publikum dafür zu interessieren.
Vielen Dank für das Gespräch!

»Okolo Offline Two«, Kunstgewerbemuseum Pillnitz, 3. September bis 2. November; www.skd.museum/de/sonderausstellungen/okolo-offline-two/index.html

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