■ Drei Wochen tourte die Band »Projekt D« im Herbst durch Sibirien und besuchte 14 russische Städte zwischen Wladiwostok und Kasan, um eine künstlerisch-friedliche Botschaft zu verbreiten. Die drei Dresdner Musiker traten gemeinsam mit russischen Gruppen auf und lasen Texte von hiesigen Autoren an Universitäten und in Clubs. DRESDNER-Autorin Josefine Gottwald sprach mit Mirko Sennewald von Kultur Aktiv e.V. über das Fazit der Tour, Komplikationen und weitere Pläne.
Das Austauschprojekt scheint erfolgreich angelaufen zu sein?
Mirko Sennewald: Die Idee wurde gut angenommen, die Gäste haben das Programm sehr geschätzt. Im Februar kommt nun die erste russische Band zu uns und Ende März ist Kultur Aktiv in Kaliningrad mit Ausstellungen und Vorträgen vertreten. Für die Tour haben wir jetzt Anfragen aus Städten, die wir bisher nicht besuchen konnten. Daher wollen wir Ende August eine zweite Runde starten – vielleicht mit einer neuen Band, die dann von Uljanowsk bis nach Petropawlowsk Kamtschatski tourt.
Also mögen die Leute die Musik, oder sind es die literarischen Teile, die einschlagen?
Mirko Sennewald: Die Literatur ist wichtiger als man denkt. Man kommt bei einer Lesung noch näher an die Menschen heran als nur mit der Musik; Konzerte sind unverbindlicher und haben mehr Abstand. Das war eine wertvolle Erfahrung. Wir haben die Texte von Moritz7 und der Autoren der Phrase4-Lesebühne – Francis Mohr, Lars Hitzing, Sabine Dressler und Henning H. Wenzel – zweisprachig vorgetragen und konnten dank einer Spende des Dresdner Buchverlags sogar Weihnachtsgeschenke an Büchereien und Unis verteilen, worüber sie sich sehr gefreut haben. Dort gab es schon lange nichts Aktuelles mehr aus der deutschen Literatur.
Das klingt nach Erfolg auf der ganzen Linie ...?
Mirko Sennewald: Ein paar unvorhergesehene Komplikationen gab es aber auch: Nachdem die Verständigung geklärt war, hatte niemand bedacht, dass Putin bei Strafe eine Liste von Wörtern herausgegeben hat, die auf Bühnen nicht mehr zu gebrauchen sind – zum Beispiel ein paar Schimpfworte, die in einer Geschichte vorkamen. Das mussten wir dann sozusagen spontan »zensieren«.
Wie vorsichtig muss man da sein?
Mirko Sennewald: Der politische Klimawandel ist deutlich zu spüren. Obwohl die Bestrahlung mit der Propaganda kaum angenommen wird, finden Diskussionen eigentlich nie öffentlich statt, weil die Leute im Publikum zu eingeschüchtert sind; irgendwer hört immer mit – fast wie bei uns in der Zone damals: Man ist zweigeteilt, was man noch sagen darf. Aber hinterher oder bei der Raucherpause sind die Leute dann gekommen und wir haben gemerkt, dass ein großer Diskussionsbedarf da ist. Auch Aufklärungsbedarf, was unser Bild im Ausland angeht. Es gab sogar Unis, wo wir gar nicht lesen durften; für ausländische Gäste existieren Beschränkungen; man weiß ja nie, was die dann auf der Bühne machen …
Aber den Studenten hat das Programm gefallen?
Mirko Sennewald: Sie waren sehr begeistert. Viele sind traurig darüber, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr nach Deutschland reisen können – einigen wurde wegen der Pegida sogar davon abgeraten. Uns war vor allem die symbolische Ebene ganz wichtig: Den Leuten zu zeigen, dass wir sie nicht allein lassen, und dass es mehr gibt als das, was man in den Nachrichten sieht. Auf der künstlerischen Ebene treffen sich die Interessen schnell und machen uns letztlich alle gleich, das nutzen wir, um Brücken zu bauen. Kunst und Kultur schafft eine offene Plattform, bei der Diskussion möglich, aber nicht verpflichtend ist. Die Grenzen sind offen, jeder kann kommen, und Musik versteht schließlich auch jeder. Damit kann man oft mehr erreichen als auf politischem Wege.
Am 18. Februar spielt die russische Indie-Electronic-Band Delta Omega im Rahmen von »GEMEINSAM:BMECTE« zusammen mit »Projekt Д« im Club Sabotage ab 21 Uhr; mehr dazu unter www.kulturaktiv.org/?p=13098