DRESDNER Interviews / O-ton!
Konzipieren wir uns die Stadt zurück – Im Gespräch mit Matthias Röder (links im Bild) vom Konglomerat e.V. zum Modellversuch Zukunftsschutzgebiet
Im Gespräch mit Matthias Röder (links im Bild) vom Konglomerat e.V. zum Modellversuch Zukunftsschutzgebiet
■ Zwischen Hauptbahnhof, dem Heizkraftwerk in Löbtau und dem Bahnhof Dresden-Mitte hat sich seit 2015 das Rosenwerk zu einem lebendigen Ort entwickelt, an dem die Dinge selbst in die Hand genommen werden. Immer mehr Menschen und Initiativen nutzen den Co-Working-Space, der mit dem Konglomerat e.V. als Dachverbund, die verschiedensten Projekte unter sich versammelt. Egal ob man Sägespäne produzieren, selber nähen, lasercutten, ein Architektur-Modell in 3D drucken oder für die Freundin ein Shirt mit dem Logo ihrer Lieblingsband siebdrucken will – hier wird alles möglich gemacht. Man findet genügend Platz und die richtigen Menschen und Maschinen, um seine Ideen umzusetzen, kann sich gegenseitig inspirieren und vor allem: selber machen. Nun geht der Verein einen Schritt weiter und greift die brisante Situation der Stadtentwicklung und dessen Gentrifizierung auf, die Dresden maßgeblich verändert, Mieten in die Höhe schießen und Freiräume verschwinden lässt. Der Verknappung des Raumes für die freie Kulturszene kann nur noch stadtpolitisch mit Schutzzonen entgegengewirkt werden, so die These. Etliche Projekte sind bedroht oder haben ihren Raum schon verloren. Das Telefon steht nicht mehr still im Rosenwerk, da vermehrt Raumanfragen gestellt werden und nach Alternativen gesucht wird. Ein großer Aufruf an die Stadt soll die gebündelten Kräfte zeigen und darstellen, wie dringend die Situation ist. Nach erfolgreich gefeiertem Richtfest des geplanten Ausbaus im Juni geht der Blick nun in die Zukunft. So fanden auf dem »Konstruktival« genannten Fest nicht nur Kunst, Kino und Theater und Konzerte auf drei Bühnen statt, sondern es wurde auch die Idee der Zukunftsschutzgebiete vorgestellt. Um mehr darüber zu erfahren, hat DRESDNER-Autor Hagen Lippmann mit Matthias Röder, Vorstand des Konglomerat e.V., gesprochen.

Was sind die Grundaspekte der Idee der Zukunftsschutzgebiete?

Matthias Röder: Wir sind auf die Idee gekommen, als wir über die aktuelle Raumsituation diskutiert haben. Alles, was klein und neu in dieser Stadt ist und versucht, Entfaltungsräume zu finden, bekommt Probleme. Dies sind Kulturprojekte, Initiativen, aber auch soziale Einrichtungen, kleine lokale Wirtschaftsbetriebe, Einzelhandel; alles, was sich nicht nur dem Profit verpfichtet fühlt, sondern auch die Lebensqualität einer Stadt bereichert. Kurioserweise besitzen vor allem diejenigen Räume, die eigentlich wenig Bezug zur Stadt haben und im Unverhältnis davon profitieren.
In Dresden wird immer wieder davon gesprochen, dass es ein Problem ist, das eine öffentliche Interesse gegen das andere auszuspielen, so nach dem Motto: Wir können das Kreativzentrum nicht bauen, weil da muss die Schule stehen. Und wir können die Schule nicht bauen, weil da muss ein kommunaler Wertstoffhof eingerichtet werden. Das ist ein gesamtstädtisches Problem. Wir brauchen eigentlich eine neue Kategorie im Flächennutzungsplan. Um Flächen vorzusehen für Projekte, die noch im Entstehen sind, für Spielflächen, Experimentierräume und Proberäume, wo man unter bestimmten Bedingungen gemeinsam eine Fläche entwickelt. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass ich mich verpflichte, nicht nur mein eigenes Interesse zu verfolgen, sondern auch das Gemeinwohl. Zukunftschutzgebiete sind für uns Flächen, die einer konzeptuellen Ausschreibung bedürfen.

Ihr seid ein großes Team. Gab es Komplikationen bei der Konzeptuierung oder war in Grundzügen klar, was passieren soll?

Matthias Röder: Es war gar nichts klar! Die Idee ist aus einer akuten Situation heraus entstanden, nämlich aus dem Unmut und Frust, den man erlebt, wenn man erfahren muss, dass wieder ein Freiraum verschwindet, wie etwa die Könneritzstraße 25. Wenn man weiß, dass da über 70 Vereinen aus den Sparten Jugendbildung, Kultur, soziale Träger und dem Sozialkaufhaus der Boden unter den Füßen weggezogen wird, spürt man den Flächenbedarf stark, da sowohl Künstler als auch Sozialträger bei uns anrufen und fragen: Warum passiert da nichts, wenn das offensichtlich ein gesamtstädtisches Anliegen ist? Im Grunde ist es die dringendste Fragestellung für die Zukunft: Wie sichern wir Flächen für die Stadtgesellschaft von morgen?

Wie läuft die Arbeit mit den Kooperationspartnern ab? Läuft das alles reibungslos oder gibt es viel Gegenwind?

Matthias Röder: Es läuft so ab, dass wir den Leuten, mit denen wir arbeiten, aus der Seele sprechen, weil wir mit der Idee dort anknüpfen, wo jeder schon Erfahrungen gemacht hat; negative Erfahrungen. Die Nikkifaktur etwa ist ein gutes Beispiel. Marco hat alles gegeben und in Bewegung gesetzt und nach mehreren Jahren Investitionen und harter Arbeit muss die Nikkifaktur nun doch raus. Da es offensichtlich in der Stadt keine Stelle gibt, wo man sich mit solchen Sorgen hinwenden kann, herrscht akuter Nachholbedarf. Das ist es, was wir mit dieser Kampagne aufgegriffen haben. Derzeit sind wir dabei, Leute offensiv anzusprechen und um Hilfe zu bitten, denn die brauchen wir definitiv! Was man hier hineinsteckt, kriegt die Gesellschaft dann wieder zurück. Damit der öffentliche Raum genutzt wird und Strukturen wachsen können, braucht es mehr Möglichkeiten, um etwas umzusetzen. Unsere Räume kann dann wieder jeder nutzen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr zum Zukunftsschutzgebiet und zum Dachverbund: http://konglomerat.org/ mehr zur Kampagne unter www.nadannmachdoch.de

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