■ Er sieht gut aus, ist gut angezogen und überzeugt mit musikalischer Geradlinigkeit, wie man sie so schon lange nicht mehr gehört hat. Warum Nick Waterhouse trotzdem nicht als »retro« bezeichnet werden will, wann er sich das erste Mal als Musiker fühlte und ob sich mit alldem Geld verdienen lässt verriet Nick Waterhouse DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl im Zuge einer Standleitung nach Austin, Texas.
Du hast als Teenager in einem Plattenladen gearbeitet. Inwieweit hat dir das geholfen, deinen eigenen Stil als Musiker zu finden?
Nick Waterhouse: Das war wie ein Zugang zu höherer Bildung. Ich konnte in das, was mich interessierte, eintauchen ohne es tatsächlich kaufen zu müssen. Zudem war ich von Musikfanatikern umgeben. Die waren alle älter und ich profitierte von ihrem Wissen. Ich konnte sehr schnell herausfinden, worauf ich abfahre.
Wann hat dich die Leidenschaft für Rythm&Blues zum ersten Mal gepackt?
Nick Waterhouse: Es gab ein paar großartige Momente, aber kein spezielles Einzelerlebnis. Es half sicher, mit Van Morrison, Johnny Lee Hooker und Edda James aufzuwachsen – die Musik meiner Mutter. Als ich zwölf war, überließ mir mein Onkel seine Plattensammlung aus Highschool-Zeiten. Da waren die ersten drei Rolling Stones Platten genauso mit dabei wie die Yardbirds, Buffalo Springfield oder auch CCR. Bands, die ihrerseits wiederum Blues und R&B-Stücke coverten. Da ich ein neugieriges Kind war, habe ich mir die Originale angehört. Immer meinem Gefühl und meinem Herzen folgend.
Bist du in einem kreativen Umfeld aufgewachsen?
Nick Waterhouse: Nein. Ich war umgeben von Feuerwehrleuten. Typen, die es genossen Musik zu hören, Partys feierten und ordentlich tranken. Tolle Leute, aber eben nicht künstlerisch.
Eher die konsumierende als die kreative Seite der Musik?
Nick Waterhouse; Schon, aber eben keine Konsumenten, die Musik kaufen, um anzugeben. Das waren hart arbeitende Menschen, die ihre Freizeit genießen wollten. Sie haben nicht viel darüber nachgedacht oder geredet, sondern es einfach gemacht. Für mich ein guter Weg, um zu lernen wie Musik Menschen reagieren lässt, auch wenn sie diese nicht intellektualisieren
Wann hast du dich dann das erste Mal selbst als Musiker gefühlt?
Nick Waterhouse: Als sich bei einem meiner ersten Konzerte in San Francisco eine Schlange vor dem Club bildete, wunderte ich mich, was die ganzen Leute da machen. Schließlich begriff ich, dass sie alle gekommen waren, um mich zu sehen.
Nach der Tour zu deinem Album »Holly« sollst du pleite gewesen sein. Stimmt das?
Nick Waterhouse: Größe geht nicht immer unbedingt mit monetärem Erfolg einher. Ich bin auch jetzt gerade pleite und mit 50.000 Dollar im Minus. Immer, wenn ich auf Tour gehe, kostet mich das mehrere tausend Dollar. Das Musikbusiness ist nicht mehr das, was es einmal war. Es ist nicht mehr genug Geld für alle da. Ich musste aus meinem Apartment raus. Nach der Tour zu »Holly« hat mich mein Business-Manager fallen lassen. Ich habe wohl nicht das Geld eingebracht, dass sich von mir erhofft wurde. Die Tour an sich war ein Erfolg, die Leute liebten es. Man hat also das Gefühl, alles läuft super, muss dann aber feststellen, dass kein Geld mehr da ist. Mit einer vierköpfigen Rock’n’Roll-Band würde ich vielleicht etwas verdienen. Ich bin aber nun mal ein Mann, der sechs bis acht Musiker plus einen Tourmanager mietet, den Bus, die Technik und das Mittelklasse-Hotel für alle bezahlt. Als Bandleader ist das Teil des Jobs. Ich habe immer darauf vertraut, dass es sich in der Zukunft auszahlt, bin mir da gerade aber nicht mehr so sicher. Ich will über das Thema gar nicht viel reden, da ich es nicht für das Wichtigste halte.
Wie wichtig ist es gerade dann in puncto Veröffentlichungen dafür zu kämpfen, dass die Musik genauso klingt wie du es dir vorstellst?
Nick Waterhouse: Das ist es, wofür ich seit dem ersten Tag meiner Karriere kämpfe.
Der Titel der aktuellen Platte »Never Twice« basiert auf einem Fitzgerald Zitat, du selbst hast einen Abschluss in Literatur. Welchen Anspruch hast du, wenn es an das Schreiben von Texten geht?
Nick Waterhouse: Sage nichts Dummes, sag etwas Interessantes. Ich mag Georg Orwells Essays über Politik. Die haben meine Schreibe sehr beeinflusst. Ich glaube an das Umgehen von Klischees und daran Dinge kurz und scharfsinnig zu formulieren.
Hast du dabei stets eine übergeordnete Idee, wie du dich und deine Kunst präsentierst – nicht nur in punkto Musik, sondern auch im Hinblick auf Mode oder Artwork?
Nick Waterhouse: Da ist nichts kalkuliert. Ich bin einfach so. Da ist eine Idee und ich überlege mir, wie ich sie am besten umsetzen kann. Ich denke nie über Dinge dahingehend nach, inwieweit ich über sie in Interviews einmal Fragen beantworten werde müssen.
Dein Stil polarisiert, große Männermagazine bitten zum Interview. Ist das vielleicht ohnehin nur ein Thema, weil Rock’n’Roll heutzutage so verdammt schlecht angezogen ist?
Nick Waterhouse: Ich kann über niemand anderen sprechen. Meine Empfindsamkeit passt vielleicht mehr zu Menschen in dieser Welt, als zu denen im Rock’n’Roll.
Ist deine Musik immer ein guter Soundtrack, um weiterzuziehen und die Stadt zu verlassen?
Nick Waterhouse: Oh ja. Mit Sicherheit. Es kann ein Soundtrack sein, um die Stadt zu verlassen oder generell von dort wegzugehen, wo du gerade bist. Ein anderer Musiker sagte kürzlich über meine Musik, dass er bei meinen Songs zunächst dachte, sie alle handeln von Beziehungen, mit der Zeit aber merkte, dass es in ihnen eigentlich um Sterblichkeit geht.
Life, love and death?
Nick Waterhouse: Ja, wobei ich nicht das Gefühl habe, dass Liebe darin wirklich vorkommt.
Empfindest du es als störend, wenn man dich und deine Musik als »retro« bezeichnet?
Nick Waterhouse: Ich halte das für zu komprimiert. Es zeugt von mangelnder Vorstellungskraft. Was wiederum ironisch ist, weil der Begriff »retro« ja eigentlich suggerieren soll, dass ich an mangelnder Vorstellungskraft leide. Lustigerweise ist es somit sehr reduziert, mich als reduzierend zu begreifen.
Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern, als feststand, wer der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein wird?
Nick Waterhouse: Ich empfand Scham und war zugleich wütend. Es war, als ob man ein Kind dabei beobachtet, wie es ein Haus in Brand setzt, unwissend dass dies auch abbrennen wird.
Nick Waterhouse ist am 12. Februar, 21 Uhr mit den special guests DJ Sir Vivor & DJ Dee Cee live im Beatpol zu erleben; mehr zum Künstler: http://nickwaterhouse.com/