■ Bekannt als Kommissarin Gorniak aus dem Dresden-Tatort wäre es falsch, die Schauspielerin Karin Hanczewski auf diese Rolle zu reduzieren. Zu vielfältig ist ihr Spiel, zu unterschiedlich die Genres, zwischen denen sie scheinbar mühelos wechselt. Mit DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl hat sich die sympathische Berlinerin über die Systemrelevanz des Theaters, ihre neue Serie und erste Rollen unterhalten.
Wie lange hat es gedauert, bis nach der Ausbildung genug Geld zum Leben hereinkam?
Karin Hanczewski: Zunächst recht schnell. Kurz nach dem Abschluss an der Schauspielschule bekam ich ein Engagement am Jungen Theater Göttingen. Ich hatte viel Glück. Dass ich aber von der Schauspielerei beim Film leben konnte, dauerte eine Weile.
Was war Ihre Lieblingsrolle am Theater?
Karin Hanczewski: In meinem ersten Theaterstück habe ich die Lady Milford in »Kabale und Liebe« gespielt. Das war aufregend, herausfordernd und hat extrem viel Spaß gemacht. Mit der Zeit gab es mehrere, aber die erste Rolle bleibt für mich etwas Besonderes.
Was ist Ihnen auf der Bühne oder vor der Kamera wichtig?
Karin Hanczewski: Wahrhaftigkeit und Humor. Unter den Worten, die jemand spricht, verbirgt sich eine Welt. Die zu spüren, fasziniert und berührt mich.
In der ZDF-Miniserie »#heuldoch – Therapie wie noch nie« spielen Sie an der Seite von Bärbel Schwarz den Charakter der feministischen Einbrecherin Lin. In fünf Folgen wird das Thema #MeToo und sexuelle Übergrifflichkeiten satirisch aufgearbeitet. Hatten Sie vorab Bedenken?
Karin Hanczewski: Ja, hatte ich. Im Vorfeld haben wir viel und lange mit der Regie und den Kollegen über das Drehbuch diskutiert und geprobt, um zu spüren, in welche Richtung das Ganze gehen kann. Mit war wichtig, dass sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch nicht verharmlost werden. Es ist ein wichtiges Thema, und Komödie ist zu Recht die Königsdisziplin. Wenn sie ihren Job gut macht, kann Satire im Lachen schmerzhaft eine Wahrheit aufzeigen.
Was hat sich seit der Debatte speziell im Schauspielbereich verändert?
Karin Hanczewski: Es gibt Stellen, an die man sich im Fall von Belästigung, Beleidigung oder Übergriffen wenden kann. Außerdem herrscht ein breiter Konsens darüber, dass derartiges Verhalten nicht akzeptabel ist, man sich dagegen wehren kann und sollte. Ich selbst spüre eine größere Sensibilität von Kollegen. Sexistische Witze oder »Komplimente« passieren nicht mehr so häufig. Das gilt auch für beiläufige Berührungen, die nicht mal großartig sexuell sein müssen.
Besteht generell die Gefahr der zu großen Verschmelzung mit einer Rolle?
Karin Hanczewski: Man bringt einen Großteil von sich selbst ein. Aber man hat im besten Fall doch immer die Kontrolle. Wenn ich ein Drehbuch früh genug bekomme, bereite ich mich mit zeitlichem Abstand auf meine Rolle vor. Ist ein Thema harte Kost, beeinflusst das natürlich Stimmung, Gedanken und Emotionen. Es ist das, womit man sich dann eben eine Zeit lang beschäftigt, in das man eintaucht.
Haben Sie als Kommissarin im Dresden-Tatort ein besonderes Verhältnis zur Stadt?
Karin Hanczewski: Ich spüre eine Verbundenheit zu Dresden. Allein in diesem Jahr war ich zwei Monate vor Ort. Dann gehe ich viel spazieren und entdecke verschiedenste Orte – ich liebe die Neustadt. Ein anderes Mal haben wir gedreht und es lief eine Pegida-Demo an uns vorbei. Das beschäftigt einen. Man bekommt ein Gespür für die Atmosphäre und die politische Lage – auch wenn man natürlich nicht alle über einen Kamm scheren kann.
Stimmt es, dass Sie das Tatort-Format vor Ihrer ersten Rolle gar nicht kannten?
Karin Hanczewski: Das ist tatsächlich richtig und verfolgt mich wahrscheinlich bis an mein Lebensende. Zu Hause haben wir viel Romantic Comedies geschaut, amerikanische Filme und kaum deutsches Fernsehen geschweige denn Krimis. Seitdem ich beim Tatort mitspiele, schaltet meine Mutter am Sonntagabend aber regelmäßig ein.
Wie wirkt sich die Pandemie auf Ihren Berufsstand aus?
Karin Hanczewski: Viele Filmprojekte finden nicht statt oder werden aufs nächste Jahr verschoben. Auch Arbeitsweise und Klima am Set haben sich verändert. Alle tragen Maske, wir werden getestet und es gibt strenge Auflagen. Jetzt ist es wichtig, sich verantwortungsvoll durch die Welt zu bewegen und einander zu schützen. Trotzdem sind auch Theater systemrelevant. Kunst und Kultur an sich sind extrem wichtig für eine Demokratie. Wenn das nächste Jahr so weitergeht, wünsche ich mir, dass Lösungen gefunden und die Theater nicht wieder geschlossen werden.
Ihr Statement zu 2020?
Karin Hanczewski: Es soll schnell vorbei sein und zum Glück wurde Biden gewählt.