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DRESDNER Interviews / O-ton!
»Humor ist für mich ein Mittel, um Grenzen auszuloten« – Im Gespräch mit Stefanie Sargnagel (Foto: Apollonia Theresa Bitzan)
Im Gespräch mit Stefanie Sargnagel (Foto: Apollonia Theresa Bitzan)
■ Stefanie Sargnagel (*1986 in Wien) studierte zunächst Malerei an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, ehe sie sich dem Schreiben zuwandte. Und das mit Verve: 2016 gewann sie den Publikumspreis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb und mit ihrem ersten Band »Dicht« landete sie einen vieldiskutierten Bestseller. Nun schaut die feministische Burschenschaftlerin auf ihrer Lesetour zu ihrem neuen Erzählband »Iowa« auch in Dresden vorbei. DRESDNER-Autor Philipp Mantze hat anlässlich dessen bei Stefanie Sargnagel nachgefragt.

»Iowa« ist Ihr zweites Buch, das als Text in Langform erschienen ist. Kann man das schon als Abkehr von Ihrer so kultivierten Kurzform interpretieren?

Stefanie Sargnagel: Das kann ich gar nicht so genau sagen, aktuell habe ich aber eh kein neues Schreibprojekt. Aber dieses Bedürfnis nach der Kurzform verspüre ich gerade einfach nicht mehr so. Ich würde das aber auch gar nicht unbedingt so strikt trennen.

»Dicht« und »Iowa« wurden unter der Autofiktion verhandelt. Könnte es vielleicht auch mal eine eher fiktionale Geschichte von Ihnen geben oder ist das eigene Leben nie auserzählt?

Stefanie Sargnagel: Also ich hatte ja eigentlich gedacht, dass das Buch jetzt total floppt, weil dort in Iowa einfach fast nichts passiert ist. Dass es jetzt so geklappt hat, bestätigt mich ja auch ein bisschen. Ich verspüre aber auch nicht so das Bedürfnis danach, mir irgendwelche Geschichten auszudenken.

Die USA, die im Buch geschildert werden, bedienen zwar vielfach das Bild, das man auch hierzulande von ihnen hat, das Politische wird aber überwiegend ausgespart. Ich hätte etwa deutlich mehr Trump-Bashing erwartet. Wie kommt das?

Stefanie Sargnagel: Das, was ich versucht habe zu schildern, ist ja eine kleine Welt, ein Mikrokosmos, der eher geprägt ist von einzelnen persönlichen Begegnungen. Für eine Politanalyse hätte ich ganz anders rangehen und gezielt Leute treffen müssen. Es war ja nur eine kurze Zeit, ein Ausflug. Trump-Bashing aus einer eher linken Perspektive wäre ja auch erwartbar und künstlerisch nicht sonderlich interessant gewesen. Ich wollte keine bestimmte politische Agenda verfolgen, das wäre fad.

Wie sind Sie damit umgegangen, dass die Menschen, denen Sie in den Bars und auf offener Straße begegnet sind, vermutlich sehr weit von Ihrer politischen Meinung entfernt waren?

Stefanie Sargnagel: Ich persönlich komme ja ursprünglich auch aus einem Milieu, in dem ich es gewöhnt bin, dass meine politischen Meinungen mit denen meines Umfelds stark kollidieren können. Gleichzeitig habe ich dadurch gelernt, dass Menschen wahnsinnig offen und zivil-couragiert, aber politisch total rassistisch sein können. Da sind teilweise riesige Widersprüche zwischen den politischen Auffassungen und dem alltäglichen Umgang mit den Nachbarn. Wenn ich nun etwa in Österreich so rigoros danach filtern würde, müsste ich vermutlich die halbe ländliche Bevölkerung ausschließen, die ja auch eher rechts ist.

Ebenso viel wie um die USA geht es auch um die aufkeimende Freundschaft zu Christiane Rösinger. Wie kam es dazu?

Stefanie Sargnagel: Also wir hatten ja ohnehin Milieu-Überschneidungen – beruflich wie privat. Christiane verfolgt den feministischen Nachwuchs sehr aufmerksam, sie ist nicht so desinteressiert, wie sonst viele in dem Alter. Sie hatte auch schon des Öfteren mit der Wiener Band Ja, Panik zusammengearbeitet, die ich ja eh aus Wien kenne. Der erste Kontakt kam aber daher, dass ich mit der Künstlerin Denice Bourbon auf Tour gehen wollte und wir die Idee hatten, noch jemanden dazu zu holen. Christiane schien für uns eigentlich unerreichbar, wir haben sie trotzdem gefragt und sie hat zugesagt.
Das College in Grinnel, Iowa hatte mich dann auch gefragt, ob ich noch eine Künstlerin kenne, die Lust auf einen Auftritt dort hätte. Da habe ich wieder an Christiane gedacht und sie hat erneut zugesagt.

Generationsunterschiede werden immer wieder heraufbeschworen. Ihre Generation wird dabei gerne als verweichlicht dargestellt. Nun gehören Sie ja bereits einer anderen Generation an als die Gen Z. Wie blicken Sie auf diese?

Stefanie Sargnagel: Ich würde sagen, die Sensibilität und die Rücksicht im Umgang miteinander sind noch stärker geworden als schon in meiner Generation – positiv wie negativ. Negativ, weil sich dadurch auch viele schneller auf den Schlips getreten fühlen können. Da hat sich häufig so eine gewisse übervorsichtige Gruppendynamik entwickelt, ja niemanden zu beleidigen. Das ist ja im Grunde auch gut: Man muss sich nicht über alle Minderheiten lustig machen. Aber ich glaube auch der Umgang mit sich selbst ist ein anderer. Wenn man immer häufiger liest, dass der Alkoholkonsum bei den Jüngeren abnimmt, zeigt das vielleicht auch, dass sie bei psychischen Problemen lieber den Gang zum Therapeuten nehmen, anstatt sich die Birne wegzusaufen.

Wie ist es denn Ihrer Meinung nach um die Vereinbarkeit von linken, woken Kreisen und Humor bestellt?

Stefanie Sargnagel: Sehr politische linke Szenen waren schon immer recht streng theoriefixiert und dadurch nicht so vereinbar mit Humor. Da herrscht dann häufig so ein Kunstanalphabetismus. Humor ist für mich immer auch ein Mittel, um Grenzen auszuloten, um Normen anzupiksen. Welche Witze kann man machen? Welche eher nicht? Grundsätzlich finde ich, ist die »Titanic« ein ganz guter Maßstab dafür, was humormäßig so geht. Humor darf niemals überaufklärerisch und pädagogisch sein. Selbstironisch aber schon. Und wenn ich jetzt mal einen Witz mache und später merke »der war jetzt vielleicht rassistisch«, muss ich das auch zugeben können.
Vielen Dank!

DRESDNER Kulturmagazin präsentiert: Stefanie Sargnagl liest am 12. April, 20 Uhr, in Begleitung von Christiane Rösinger aus »Iowa« in der Schauburg. Mehr zur Autorin: www.stefaniesargnagel.at/

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