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DRESDNER Interviews / O-ton!
Heinzer macht ernst – Ein Interview mit Heinz Strunk zu seinem neuen Roman »Der Goldene Handschuh« (Foto: Dennis Dirksen)
Ein Interview mit Heinz Strunk zu seinem neuen Roman »Der Goldene Handschuh« (Foto: Dennis Dirksen)
■ Heinz Strunk ist mit seinem neuen Roman »Der goldene Handschuh« für den renommierten Leipziger Buchpreis nominiert. Darin erzählt er das horrende wie tragische Leben des Frauenmörders Fritz Honka nach, der in den 1970er Jahren ganz Hamburg in Panik versetzte. Herausgekommen ist das Psychogramm eines Täters, der zugleich Opfer war. Drastisch und lakonisch zugleich erzählt Heinz Strunk vom Leben und Leiden seiner Figuren. Olaf Neumann sprach für DRESDNER Kulturmagazin mit dem Autor des Bestsellers »Fleisch ist mein Gemüse«.

Fritz Honka war der schlimmste Serienmörder, den Hamburg je hervorgebracht hat. Er erlebte in seiner Kindheit das, was viele Mörder und Serienmörder erleiden – er wuchs in einer lieblosen, kalten Umgebung auf und wurde außerhalb der Familie sexuell missbraucht und gefoltert. Reicht das als Erklärung für seine grausamen Taten?

Heinz Strunk: Er hatte nicht nur eine harte Kindheit. Das hat sich durchgezogen von der Kindheit an mit dem alkoholkranken Vater, der insgesamt zehn Kinder hatte. Fritz wurde in ein Jugend-KZ gesteckt. Nach dem Krieg wollte er eigentlich KFZ-Mechaniker werden, aber er war zu dumm und wurde stattdessen in eine Maurerlehre gesteckt. Da hat er die Zementkrätze bekommen. Mit 17 kam er schließlich nach Westdeutschland und wurde auf Bauernhöfen über viele Jahre mehr oder weniger versklavt. Am Ende geriet er in Hamburg direkt in das härteste Hafenmilieu und wurde schon nach wenigen Wochen von Rockern brutal zusammengeschlagen. Dazu kamen noch diverse Unfälle. Mehr Unglück geht gar nicht. Für Fritz Honka gab es gar keine Phase der Entlastung, des Glücks oder der Hoffnung.

Gab es in seinem Leben dennoch einen Wendepunkt?

Heinz Strunk: 1970 wurde er Nachtwächter bei Shell und kam dadurch auch mal weg von diesem Hafenmilieu. Er durfte sogar eine Uniform tragen. Daran knüpfte er die Hoffnung, dass sein Leben vielleicht doch noch eine Wendung zum Positiven machen würde.

Ihr Roman ist das Psychogramm eines Täters, der zugleich Opfer war. Kann man sich in extreme Gewaltfantasien hinein denken, ohne sich dabei selbst zu infizieren?

Heinz Strunk: Dass ich mich damit als Autor beschäftigt habe, heißt ja noch lange nicht, dass das meinen persönlichen Präferenzen entspricht. Ich glaube, ich kann ganz gut abstrahieren, ich habe mich beim Schreiben auch nicht fertig gemacht. Die Aufgabe lautete, dem Thema schriftstellerisch gerecht zu werden. Das hat meine Kräfte gefordert. Aber ich musste nie das Schreiben abbrechen, weil ich es als zu schrecklich und grausam befand. Ich hege keinerlei Sympathien für Honka, aber ich kann ihn bemitleiden als ärmstes aller Würstchen, was er offensichtlich auch gewesen ist. Das hat nichts damit zu tun, dass ich seine Taten entschuldige.

Was brachte Sie dazu, sich mit Menschen am äußersten Rande der Gesellschaft – der untersten Unterschicht – zu beschäftigen?

Heinz Strunk: Naja, das ist ja nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte des Buches beschäftigt sich mit dem exakten Gegenentwurf, nämlich der Elite. Die Faszination, was so eine Art von Täter angeht, ist mir schon sehr früh durch die Dokumentation »Nachruf auf eine Bestie« über das Leben des Jürgen Bartsch eingepflanzt worden. Auf Fritz Honka bin ich gekommen, weil ich seit 2009 Gast im Goldenen Handschuh bin, aber nicht aus Recherchegründen. Ich war von dem Soziotop durchaus fasziniert. Irgendwann bin ich auf die Verbindung Honka – Handschuh gekommen, und dann reifte in mir die Idee heran, darüber einen Roman zu schreiben.

Wie haben Sie sich dem Thema literarisch angenähert?

Heinz Strunk: Schwer zu sagen, ob es eher eine literarische oder eine emotionale Annäherung gewesen ist. Das Empfinden und die Vorstellungskraft muss man auch in Worte fassen können. Das ist die stilistische Herausforderung. Man kann es ja auch in unpassende Worte kleiden. Ich gebe ein Manuskript erst dann aus der Hand, wenn ich das Gefühl habe, jetzt ist es authentisch. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen versucht, mich auch sprachlich in das jeweilige Milieu hineinversetzen. Wäre ich nur bei Honka geblieben, hätte ich meine sprachlichen Möglichkeiten verschenkt. 250 Seiten nur über ihn und diesen ganzen Wahnsinn – das wäre zu viel gewesen. Ich kannte die Eckdaten aus seinen Akten, dazu kamen meine persönlichen Erfahrungen mit den Leuten im Goldenen Handschuh. Der Rest ist der Fantasie des Autors überlassen.

»Der goldene Handschuh« ist für den renommierten Leipziger Buchpreis nominiert. Was glauben Sie, warum mag das sogenannte Hoch-Feuilleton Ihr Buch?

Heinz Strunk: Weil es eben einfach das beste Buch der Saison ist. Was soll ich jetzt mein eigenes Buch loben, aber ich glaube, viel mehr kann Literatur gar nicht leisten. Dass ich in Leipzig nominiert bin, ist eine schöne Anerkennung dafür, dass ich nicht mehr der lustige Heinzer bin, der Popliterat, der da irgendwelche Schmunzel-Anekdoten aus seiner Jugend erzählt. Das ist schon eine Genugtuung.
Vielen Dank für das Gespräch!

Heinz Strunk: »Der goldene Handschuh« (Roman, Rowohlt, 256 Seiten, 19,95 Euro; erscheint am 26. Februar). Der Autor liest am 29. März um 20 Uhr in der Schauburg aus seinem neuen Roman. Mehr zum Autor: http://heinzstrunk.de Eine Leseprobe: http://heinzstrunk.de/website_neu/wp-content/uploads/2015/05/Strunk_RowohltBV_Q4uQ1_2016_A4_LR1.pdf

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