■ Ab Mitte der 90er gab es kaum einen Indieclub, in dem nicht zu den Songs von Ash getanzt wurde. Das Trio aus Nordirland landete gleich mit ihrem Langspieldebüt »1977« einen riesigen Hit, Songs wie »Girl from Mars« oder das spätere »Shining Light« gelten längst als Klassiker. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl sprach mit Frontmann Tim Wheeler über hektische Zeiten, Britpop und die Dankbarkeit, immer noch da zu sein.
Euer letztes Studioalbum wurde 2018 veröffentlicht. Zwei Jahre später kam die Pandemie. Fühlt sich das im September erschienene neue Album »Race the Night« da wie ein kleines Comeback an?
Tim Wheeler: 2020, kurz vor der Pandemie, haben wir die »Teenage Wildlife – 25 Years Of Ash«- Compilation herausgebracht. Ein musikalischer Rückblick auf die Bandgeschichte. Dann wurden wir eineinhalb Jahre auf Stopp gesetzt und beschäftigten uns viel länger mit unserer Vergangenheit, als uns lieb war. Im letzten Jahr stand zudem unser 30-jähriges Jubiläum an. Zu groß, um es nicht zu feiern. Jetzt bin ich erleichtert, mit neuer Musik im Gepäck wieder nach vorne schauen zu können. Das fühlt sich großartig an.
Ist der Titelsong »Race the Night« als eine Ode an den Rock’n’Roll-Hedonismus sowie die Magie der Nacht zu verstehen?
Tim Wheeler: Ja, vor allem die spontanen Nächte, wenn man nichts plant und dem Spaß hinterherjagt. Da ich jetzt Familie habe, geht das nicht mehr so oft, aber ich feiere diese Momente immer noch, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Bis vor drei Jahren habe ich in New York gelebt, und hatte dort ein ganz lustiges Leben. Das Stück ist auch eine Hommage an diese Zeit.
Eine Kombination aus Eskalation und Unbeschwertheit, die man mit dem Älterwerden mehr und mehr vermisst?
Tim Wheeler: Vielleicht, aber ein Teil von mir weiß auch, dass der Morgen danach ein ganzes Stück schlimmer ist, als noch in meinen Zwanzigern. Ein Hangover ist heute ungleich schmerzhafter. Da gehe ich die Dinge lieber gelassener an. Wir spielen auch alle besser, wenn wir nicht so besoffen sind. Die Musik gibt einem das Gefühl, jung zu sein. Sobald wir auf der Bühne loslegen oder auch, wenn ich Rockmusik aus meiner Teenager-Zeit höre, stellt sich dieses Feeling schnell wieder ein.
1996 erschien das Album »1977«. Ein Riesenerfolg. Kannst du dich im Nachgang an eine Situation erinnern, wo dir klar wurde, dass du langsamer machen musst, um den ganzen Trubel wegzustecken?
Tim Wheeler: Das war bei unserer ersten großen London-Show, ungefähr eine Woche, nachdem »1977« herausgekommen war und auf Platz eins in den Charts stand. Das hat mich umgehauen und ich erinnere mich an einen kleinen Zusammenbruch nach der Show. Der Druck wurde einfach zu groß. Wir hatten so lange auf diesen Moment hingearbeitet und alles war plötzlich so hektisch. Ich fühlte mich aber nicht glücklich und war gleichzeitig wütend auf mich selbst, weil ich mich nicht glücklich fühlte. Dabei hatte ich mit 19 Jahren alles, was ich mir erträumt hatte. Kurz darauf tourten wir durch Europa und spielten wieder in kleineren Clubs. Alles war etwas entspannter. Da hatte ich das Gefühl, dass ich das Ganze überstehen werde. Hätten wir als Band weitergemacht wie zuvor, wäre das Risiko groß gewesen, auf der Strecke zu bleiben. Ich bin froh, dass wir alle überlebt haben.
Seinerzeit war MTV mit die wichtigste Verbreitungsquelle für populäre Musik. Euch packte man mit in die Britpop-Ecke. Ein Garant für Erfolg?
Tim Wheeler: Mancherorts hat es geholfen. In San Francisco oder Tokio kamen sicher auch Leute aufgrund ihrer Leidenschaft für die Britpop-Szene. Das war schon cool, aber andererseits war Britpop auch ein Thema, dessen Stern schnell zu sinken begann. Der Grund, uns mit in diese Schublade zu packen, war auch, dass wir damals mit dem gleichen Produzenten im selben Studio wie Oasis gearbeitet haben. Somit gab es vom Sound her Ähnlichkeiten zwischen »1977« und dem ersten Oasis-Album. Wir standen aber eigentlich mehr auf amerikanische Bands oder auch auf Punk.
Damals wart ihr der heiße Scheiß mit tobenden Teenagern vor der Bühne. Ist euer Publikum mitgealtert?
Tim Wheeler: Das ist eine gute Mischung. Unsere Fans sind im Laufe der Jahre reifer geworden, und es dauert länger, bis sie bei einem Konzert anfangen, einander herumzuschubsen. Es kommt aber auch neues, junges Publikum zur Show, auf die unsere Musik den gleichen Effekt hat, wie auf Teenager in den 90ern. Das funktioniert immer noch ganz gut. Auch Original-Punks schauen ab und an bei unseren Konzerten vorbei: Mitglieder der Buzzcocks oder The Clash. Ziemlich cool.
Als ihr 2007 beschlossen habt, nur noch Singles zu veröffentlichen, wart ihr der Zeit voraus. Würdest du diesen Weg heute wieder einschlagen, oder bleibt es beim Albumformat?
Tim Wheeler: Ich würde das jetzt nicht mehr so machen, obwohl ich die damit einhergehende Freiheit sehr genossen habe. Ich mochte die Idee, die Leute alle zwei Wochen mit etwas völlig anderem zu überraschen. Mittlerweile bevorzuge ich es wieder, nach einer Albumstruktur zu schreiben, die den Rahmen vorgibt. Vinyl ist ja wieder angesagt, daher bringen wir sicher noch mehr Alben raus.
Auf Tour spielt ihr zusammen mit The Subways. Schaut man sich die Clubs an, in denen ihr spielt, sind das zwar großartige Veranstaltungsorte, aber eben auch nicht die ganz großen Hallen ... ?
Tim Wheeler: Klar, ist das schade für uns und es wäre toll, auf größeren Bühnen zu spielen, aber so ist es nun mal. Die Dinge kommen und gehen in Wellen und man kann nur hoffen, dass Rock irgendwann zur alten Stärke zurückfindet. Andererseits ist es herrlich, dass wir noch hier sind und die Leute uns immer noch sehen wollen. Das ist die Hauptsache.
Drei Jungs, eine Band, über drei Jahrzehnte, was ist das Geheimnis?
Tim Wheeler: Wir haben schon als Kids zusammen angefangen und Höhen und Tiefen gemeinsam erlebt. Das hat uns stark gemacht. Ich hatte einfach Glück, zwei engagierte Leute zu finden, die den gleichen Traum hatten. Einer für alle, alle für einen. Wir lieben, was wir tun.
Ash spielen am 1. Dezember zusammen mit den Subways im Beatpol. Mehr zur Band: www.ash-official.com/