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DRESDNER Interviews / O-ton!
»Eine Ehe stirbt, eine Familie löst sich auf, ein System geht unter« – Im Gespräch mit Matti Geschonneck zu seinem Film »In Zeiten des abnehmenden Lichts« (im Bild: Bruno Ganz)
Im Gespräch mit Matti Geschonneck zu seinem Film »In Zeiten des abnehmenden Lichts« (im Bild: Bruno Ganz)
■ Wie kann man ein Jahrhundertroman wie Eugen Ruges DDR-Epos »In Zeiten des abnehmenden Lichts« mit seinen dutzenden Handlungssträngen auf eine 90. Geburtstagsfeier eindampfen? DRESDNER-Autor Martin Schwickert sprach mit Regisseur Matti Geschonneck über diesen mutigen Schritt und was ihn persönlich mit Ruges Geschichte verbindet.

Herr Geschoneck, gab es beim Lesen von Eugen Ruges Roman für Sie einen Moment, an dem Sie dachten: »Daraus will ich einen Film machen«?

Matti Geschonneck: Mich interessierten vor allem die Figuren und die beeindruckenden Zeitbögen, die aus ihren Lebensgeschichten gespannt werden: von den zwanziger und dreißiger Jahren bis kurz vor den Mauerfall. Der Roman verdeutlicht den Einfluss des Stalinismus auf die DDR und damit auf die deutsche Geschichte – eine spannende, versunkene und vor allem auch verschwiegene Welt, die hier erzählt wird. Eugen Ruges Geschichte hat mich sehr berührt, auch weil ich aus einer Familie komme, die bei aller Zerrissenheit in einer engen Beziehung zu dieser Geschichte stand. Ich bin selbst in der DDR groß geworden und habe in der Sowjetunion studiert. Die Figuren im Roman kamen mir sehr vertraut vor.

Der Roman erzählt die Familiengeschichte über vier Generationen hinweg. Wie kam es zu der Entscheidung, das alles ohne Rückblenden erzählen zu wollen?

Matti Geschonneck: Schon im ersten Entwurf von Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase, der bei unserem ersten Zusammentreffen eine dreiviertel Seite umfasste, war klar, dass der Film ohne Rückblenden auskommen sollte. Es ist ja die Frage, wie man den Kern einen solchen Stoffes trifft: ob man ihn in seiner ganzen epischen Breite erzählt oder – wie wir es tun – beinahe als Kammerspiel. Wir konzentrieren uns auf den 90. Geburtstag Wilhelm Powileits und auf die Familie des Jubilars.

Ihr Film hat bei aller Schwere des Stoffes, auch einen sehr feinen Humor. Wie haben Sie die richtige Balance gefunden?

Matti Geschonneck: Eugen Ruges Roman hatte schon einen sehr skurrilen Witz, dann kam das Drehbuch Wolfgang Kohlhaases, mit seinem sehr intelligenten, feinen Humor. Da muss man als Regisseur natürlich das richtige Maß, die entsprechende Tonlage bei der Umsetzung finden. Unser Film ist in dem Sinn keine Komödie, hat aber trotzdem sehr komische Momente. Das ist schon kurios, wie dieser 90. Geburtstag gefeiert wird, kurz vor Mauerfall, als würde es die DDR ewig geben. Dafür braucht man natürlich die guten Schauspieler ... und die hatten wir. Als Regisseur muss ich die Figuren, die Charaktere ernst nehmen, meine Schauspieler mögen, sie nicht denunzieren - Respekt vor dem Buch und seinen Figuren.

Roman wie Film entfalten Weltgeschichte in einem ganz privaten, familiären Setting. Wo liegt für Sie das emotionale Zentrum des Films?

Matti Geschonneck: In der Ehegeschichte von Kurt und seiner russischen Frau Irina. Die Wärme, das Innigliche, aber auch das Tragische dieser Ehe hielten den Film für mich zusammen. Eine Ehe stirbt, eine Familie löst sich auf, ein System geht unter ... Ich hoffe, dass der Film berührt, dann findet er auch sein Publikum.

Welche eigenen familiären Bezüge stecken für Sie in diesem Film?

Matti Geschonneck: Der Wilhelm Powileit, den Bruno Ganz im Film spielt, weist schon eine große Seelenverwandtschaft mit meinem Vater Erwin Geschonneck auf. Mein Vater war zwar während des Krieges im Gegensatz zu Powileit nicht in der Emigration, sondern sechs Jahre im Konzentrationslager, aber von ihrer Wesensstruktur, ihrer politischen Überzeugung sind die beiden verwandt. Ich war vier Jahre alt, als die Ehe meiner Eltern geschieden wurde, lebte mit diesem sehr gewichtigen Namen in der DDR, kannte den berühmten Vater eigentlich gar nicht. Erst nach der Wende näherten wir uns einander an und haben sogar einen Film zusammen gemacht. Wir waren uns dann 15 Jahre bis zu seinem Tod sehr nahe. Das war für mich natürlich ein großes Geschenk.
Vielen Dank für das Gespräch.

»In Zeiten des abnehmenden Lichts« (ab 1. Juni im Pk Ost, KiF und KiD); BRD 2017, Regie: Matti Geschonneck, mit Bruno Ganz, Hildegard Schmahl, Sylvester Groth u.a. Zum Filmtrailer: http://youtu.be/n90Jn87O3R8

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