Anzeige

DRESDNER Interviews / O-ton!
Ein weiblicher Blick auf das Leben – Im Interview mit Julianne Moore zu ihrem neuen Film »Gloria«
Im Interview mit Julianne Moore zu ihrem neuen Film »Gloria«
■ Nach dem Oscarsieg für »Eine fantastische Frau« hat Chiles Top-Regisseur Sebastián Lelio nun persönlich die US-Neuverfilmung seiner 2013er Tragikomödie »Gloria« übernommen – und für die Umsetzung sofort Hollywoods Allround-Talent Julianne Moore gewonnen. DRESDNER-Autor Martin Schwickert sprach mit Julianne Moore über die Macht des Perspektivwechsels im Kino und warum ein Remake immer reizvoll ist.

»Gloria« erzählt von einer berufstätigen, geschiedenen Frau und Mutter zweier erwachsener Kinder, die sich in ihrem Leben und der Liebe noch einmal neu orientiert. Ist es in dieser Lebensphase besonders schwer, sich zu verlieben?

Julianne Moore: Sich zu verlieben ist immer eine schwierige Angelegenheit. Egal in welchem Alter. Fragen sie meine 17-jährige Tochter! Es ist ja schon eine Herausforderung, überhaupt jemanden zu treffen, mit dem man sich verbunden fühlt. Je älter man ist und je mehr Lebenserfahrung man gesammelt hat, desto größer sind dann die Sehnsüchte und Erwartungen an eine Beziehung. Das Interessante an dieser Geschichte ist, dass Gloria ja eigentlich gar nicht auf der Suche nach einer Beziehung ist. Sie geht nicht in die Clubs, um einen Mann zu finden, sondern um zu tanzen. Diese Romanze kommt vollkommen ungeplant auf sie zu. Sie genießt es, aber als sie merkt, dass dieser Mann nicht ihre Erwartungen erfüllen kann und sich nicht genug auf sie einlässt. Dann hat sie auch die Kraft, die Angelegenheit wieder zu beenden.

Sie sind die Hauptdarstellerin im amerikanischen Remake des gleichnamigen chilenischen Films, in dem ebenfalls Sebastian Lelio Regie geführt hat. Warum muss man diese Geschichte noch ein zweites Mal erzählen?

Julianne Moore: Weil es einfach eine gute Geschichte ist. »A Star Is Born« wurde viermal verfilmt. Auf der Bühne ist es vollkommen normal, dass Stücke von Shakespeare und Tschechow immer wieder neu inszeniert und interpretiert werden. Abgesehen vom Regisseur war dieser Film ja für alle Beteiligten Neuland: Wir hatten andere Schauspieler, einen anderen Kameramann, ein andere Kulisse und ein andere Sprache. Der Film ist vollkommen separat vom Original entstanden.

Was hat Sie an dem Original-Film fasziniert?

Julianne Moore: Nur selten gelingt es einem Film derart fesselnd vom Drama eines ganz gewöhnlichen Lebens einer Frau um die 50 zu erzählen. Der Film hat mich damals sehr bewegt und ich wollte den Regisseur unbedingt kennen lernen. Wir haben uns dann in Paris 2015 getroffen, wo dieses Projekt seinen Anfang nahm. Sebastian Lelio ist ein außergewöhnlicher Filmemacher und ein ganz großer Humanist. Die Art, wie er mit seinen Figuren umgeht, zeugt von einem tiefen Interesse an der menschlichen Befindlichkeit und dem Wert des Lebens. Ich wollte unbedingt mit ihm arbeiten. Ich hätte jeden Film mit ihm gemacht.

Wie zeigt sich dieses Interesse an der menschlichen Befindlichkeit auf der Leinwand?

Julianne Moore: »Gloria« verschreibt sich ganz und gar der Perspektive dieser Frau. Wir sehen die Dinge aus ihrer Sicht. Ihre Kollegen, ihre Kinder, ihr Liebhaber sehen nur einen Teil von Glorias Persönlichkeit. Durch seine konzentrierte Perspektive gibt der Film dem Publikum einen ganzheitlichen Blick auf Glorias Leben, so wie sie es selbst wahrnimmt, und so wie die Zuschauer sonst nur ihre eigene Existenz erleben. Und das ist ja das Schöne am Kino, dass Filme menschliche Brücken bauen können und man als Zuschauer seine eigenen Urteile von Außen hinterfragt, weil man die Innenperspektive eines anderen Menschen kennengelernt hat.

Wenn Sie Gloria im echten Leben treffen könnten: Wie würden Sie gerne mit ihr den Abend verbringen?

Julianne Moore: Ich glaube, ich würde einfach nur mit ihr abhängen wollen. Eine Frau wie Gloria möchte man einfach zur Freundin haben. Sie ist verletzbar, geht Gefühlen nicht aus dem Weg, steuert Konflikte direkt an, probiert immer wieder neue Dinge aus und setzt sich für ihre Freude ein. Sie lebt ihr Leben in vollen Zügen.
Vielen Dank!

»Gloria« (ab 22. August im Pk Ost, KiF und in der Schauburg), USA 2019, Regie: Sebastián Lelio, mit: Julianne Moore, John Torturro, Caren Pistorius u.a. Zum Trailer: http://youtu.be/2y-XiojJ-ig

« zurück