■ Diese Rolle gilt als ihre wichtigste und schwierigste seit »Erin Brokovich«. Julia Roberts ist zurück. In Peter Hedges' Drogensuchtdrama erlebt sie als Holly die Rückkehr ihres dem Heroin verfallenen Sohnes ins Elternhaus. Während alle den Jungen als unverbesserlichen Junkie abstempeln, glaubt seine Mutter Holly weiter an ihn. Bis ihn seine Vergangenheit einzuholen droht. DRESDNER-Autor Martin Schwickert sprach mit der Oscarpreisträgerin über Muttergefühle und das Gesellschaftsproblem Drogensucht.
In »Ben Is Back« spielen Sie eine Mutter, deren Liebe zu ihrem drogensüchtigen Sohn auf eine harte Probe gestellt wird. Was hat Sie an dieser Rolle gereizt?
Julia Roberts: Das, was in diesem Film geschieht, passiert überall im Land. Der Film zeigt sehr genau, dass dieses Problem nicht nur die Abhängigen selbst betrifft, sondern ihr gesamtes Umfeld: die Geschwister, die Mutter, der Stiefvater – alle sind involviert und suchen verzweifelt nach Lösungen. Es wird auf die komplexe, menschliche Seite eines Problems verwiesen, das zumeist nur in Statistiken und Zahlen wahrgenommen wird.
Hollys bedingungslose Liebe zu ihrem Sohn stellt auch die Beziehungen zu ihrer Tochter und ihrem Ehemann infrage. Wo sind die Grenzen ihrer Mutterliebe?
Julia Roberts: Hollys Liebe zu ihrem Sohn gehorcht nicht den Gesetzen der Logik. Ihre Mutterliebe folgt nicht irgendwelchen Abwägungen. Sie denkt nicht darüber nach, was sie für ihren Sohn opfert und wer darunter leiden könnte. Diese Art von Logik existiert nicht in der Gedankenwelt, in der sie sich bewegt.
Wie schwierig war es für Sie, sich in diese hochemotionale Situation einzufinden?
Julia Roberts: Nicht schwieriger als andere Rollen, die ich gespielt habe. Das Wichtigste war, dass ich schnell eine direkte Verbindung zu Lukas Hedges, der im Film meinen Sohn spielt, herstellen konnte. Das hat mir sehr geholfen diese Art von kämpferischen Muttergefühlen zu entwickeln. Der Film verdichtet die Geschichte dieser Familie ja auf ein Erzählfenster von 24 Stunden. Dadurch sieht man die Gefühle der Figuren, was sie durchmachen und mit welchen Herausforderungen sie plötzlich konfrontiert werden, fast in Echtzeit.
Der Film sucht in dieser Weihnachtsnacht die Verantwortlichen und Mitschuldigen nicht nur im kriminellen, sondern auch im bürgerlichen Milieu ...?
Julia Roberts: Der Teufel hat nicht immer eine Mistgabel in der Hand und man weiß nie, was sich hinter den Fenstern mit all der hübschen Weihnachtsbeleuchtung verbirgt. Von dem Arzt, der viel zu freizügig mit Rezepten umgeht und dadurch Bens Sucht in Gang setzt, bis hin zum Dealer, der Ben als Drogenkurier benutzt - es gibt viele unverantwortliche Menschen, die am Schicksal eines Drogensüchtigen mitschuldig sind.
Werden die betroffenen Familien in den USA vom Staat im Stich gelassen?
Julia Roberts: Eine der wirklich innovativen und guten Ideen von »Obama Care« war, dass eine Infrastruktur geschaffen wurde, um Menschen mit Drogenproblemen zu helfen. Die Betroffenen konnten in eine Entzugsklinik gehen auf Kosten der Krankenversicherung. Aber es dauerte nicht lange, bis aus dieser guten Idee ein Geschäft gemacht wurde. Die Hilfsbedürftigen wurden zum Spielball der Profitinteressen der Pharmaindustrie und vielen anderen, die an ihnen mitverdienen wollten. Diese Entwicklung hat mich zutiefst schockiert. Endlich gab es eine Möglichkeit diesen Menschen zu helfen und sie wurde systematisch aus reiner Profitgier zerstört.
»Ben is Back«, ab 10. Januar im Programmkino Ost und Kino in der Fabrik, USA 2018, Regie: Peter Hedges, mit: Julia Roberts, Lucas Hedges, Courtney B. Vance u.a. Zum Trailer: http://youtu.be/bjhnejzGrrA