■ Der mit dem Grimme-Preis geehrte Stand-Up-Comedian aus Berlin erschüttert die etablierten Strukturen mit Humor ohne Scham und extravagant prolliger Mode. Polak holt auf die Bühne, was er durchlebt hat. Er hat keine Hemmungen, sich für eine gute Pointe selbst zum Narren zu machen. Bevor er mit seinem neuesten Bühnenprogramm »Der Endgegner« wieder dahin sticht, wo es weh tut, mischte er sich unlängst mit einem Buch in die aktuelle Antisemitismus-Debatte ein. »Gegen Judenhass« ist ein emotionales Plädoyer für mehr Toleranz und eine liberale Gesellschaft. Olaf Neumann sprach für DRESDNER Kulturmagazin mit dem 42-Jährigen über seine Erfahrungen mit dem grassierenden Antisemitismus und darüber, was gegen gefährliche Vorurteile getan werden kann.
Herr Polak, in Ihrem Buch »Gegen Judenhass« gibt es viele Fragen und viele weiße Seiten. Warum?
Oliver Polak: Das sind die Fragen, die mir immer wieder gestellt wurden. Mit dieser Selbstdefinition will ich den Leser an das Thema heranführen. Ich arbeitete gerade an meiner neuen Standup-Show »Der Endgegner«. Aber dann häuften sich diese judenfeindlichen Vorfälle, wie der Anschlag auf die französische Holocaustüberlebende, die in ihrer Wohnung erstochen und angezündet wurde. Jüdische Restaurantbesitzer wurden angegriffen. In Chemnitz flogen Molotowcocktails durch Fenster. Jüdische Schüler wurden auf Schulhöfen gejagt. Das habe ich auch mit sieben oder acht Jahren erlebt. In den 80ern hieß es, das sei jetzt alles vorbei, das seien die letzten Ausläufer. Das sind aber nur Worthülsen gewesen. Ich habe gerade das Gefühl, dass alles noch da ist. Warum ist beim Echo niemand wirklich aufgestanden? Der einzige, der etwas gesagt hat, war Campino, aber am Ende nahm er den Preis trotzdem entgegen. Mir fehlt Klarheit.
Was erhoffen Sie sich, mit dem Buch zu erreichen?
Oliver Polak: Ich habe versucht, ein Buch zu schreiben, so wie ich es mir von jemand anderem wünschen würde. Ich wollte das große, schwere Thema runterbrechen auf das Wesentliche. Es ist dünn und bunt geworden und der Preis ist nicht sehr hoch, damit man es eher mal in die Hand nimmt. Es ist der Versuch, Dinge zu erklären.
Was kann ein erster Schritt sein im Kampf gegen Antisemitismus?
Oliver Polak: Es geht ja auch um Rassismus, Flüchtlingsabscheu, Sexismus, Homophobie. Ich schreibe in dem Buch: »Das Ende von Menschenhass beginnt mit dir!« Jeder Einzelne kann anfangen, empathischer und achtsamer zu sein. Aber ich wünsche mir auch eine Klarheit von der Politik. Krassere Gesetze, die einen als Juden mehr schützen. Ich wünsche mir, dass mein Buch Schullektüre wird.
Wie gehen Sie persönlich mit Beleidigungen um?
Oliver Polak: Als ich einmal mit meinem letzten Buch »Der jüdische Patient« in einer Talkshow war, wurde ich im Trailer nur als Jude, Jude, Jude vorgestellt. Aber ich war eigentlich wegen eines Buches über Depressionen da, auf dessen Titel das Wort »jüdische« durchgestrichen war. Es hat mich teilweise krank gemacht, weil ich eigentlich Standup-Comedy mache, aber es wurde immer wieder versucht, an mir eine Geschichtsaufarbeitung anzudocken. Als ich das dem Moderator sagte, antwortete er: »Sorry, das Jüdische ist dein Unique-Selling-Point, da musst du jetzt durch!« Das war relativ eklig und ich frage mich im Nachhinein, warum ich da überhaupt aufgetreten bin. Als Kind habe ich solche Sachen oft einfach weggelächelt. Ich war eh schon einsam. Wäre ich auf die ganzen Leute eingegangen, die komische Sachen gemacht haben, wäre ich noch einsamer gewesen. Aber danach habe ich mich oft schlecht gefühlt. Das passiert mir heute nicht mehr so. Ich glaube, dass man manche Ältere nicht mehr retten kann, weshalb der Fokus meines Buches auf den Jüngeren liegt.
Stimmt es, dass arabischstämmige Comedians auf deutschen Bühnen den Holocaust leugnen?
Oliver Polak: Ja, das gibt es wirklich. Man findet es auch im Netz, wenn man Schlagworte wie »Olympia« eingibt. Ich habe die besagte Nummer im Wortlaut transkribiert. Bei dem entsprechenden Video sieht man ein vorwiegend migrantisches, johlendes Publikum. Ein Freund von mir hat dieselbe Nummer in Hamburg vor einem deutschen Publikum gesehen, und da war es relativ ruhig.
Worin unterscheiden sich arabischer und europäischer Antisemitismus?
Oliver Polak: (lacht) Der eine ist europäisch, der andere arabisch. Die Wurzeln sind anders. Der deutsche Antisemitismus war nie weg, und der arabische nährt sich sehr durch den Israelkonflikt und Weltverschwörungstheorien. Aber auch da muss man sagen, dass nicht alle Menschen so sind.
Welche antisemitischen Klischees sind am gefährlichsten?
Oliver Polak: Ich finde, man sollte sich frei machen von jeglichen Stereoptypen, Vorurteilen und Klischees. Es fängt mit Gedanken an, die werden zu Worten und dann zu Taten. In einem Vorurteil steckt immer auch eine Bewertung mit drin, die meistens eher negativ ist und gekoppelt ist mit einem Gefühl, so dass man es wirklich glaubt. Zum Beispiel »Muslime sind kriminell« oder »Juden sind geldgierig«. Wir haben alle Vorurteile, aber das muss man sich immer wieder bewusst machen.
Ist Antisemitismus eine Frage von Bildung?
Oliver Polak: Nein, auf Antisemitismus trifft man überall. Dazu möchte ich die Erste Allgemeine Verunsicherung zitieren: »Das Böse ist immer und überall«.
2019 gehen Sie wieder auf Comedytour unter dem Motto »Endgegner«. Wer ist das eigentlich?
Oliver Polak: Wir Menschen sind unser eigener Endgegner und unser größter Feind. Am Ende sind wir selber die Terroristen, nämlich Lifestyle-Terroristen. Wir bauen unseren Wohlstand auf der Ausbeutung anderer aus.
Oliver Polak ist am 10. März mit seinem Programm »Endgegner« in der Schauburg zu erleben; sein Buch »Gegen Judenhass« ist im Oktober 2018 im suhrkamp Verlag als Taschenbuch erschienen. Mehr zum Künstler: www.oliverpolak.de/