Pause, aber keine Kunstpause

Tonlagen mit Auflagen: Die Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik stehen unter dem Motto »Pause« und finden ausschließlich digital statt

Alva Noto, Photo Credit: Nikolaus Brade

Das 1987 von Udo Zimmermann als »Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik« auf der Schevenstraße ins Leben gerufene, zwischenzeitlich in »Tonlagen« umbenannte und nach Hellerau verpflanzte Festival, erlebt eine weitere Metamorphose. Seit 2019 unter der Leitung von Moritz Lobeck, will das nunmehr als »Tonlagen – Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik« firmierende Festival aller zwei Jahre aktuelle Entwicklungen in der Musik und zeitgenössischen Kunst präsentieren und diskutieren. Die Festivalplanung erscheint in diesem Jahr besonders schwierig unter der Prämisse von Kontaktvermeidung und dem Damoklesschwert, das mit der Orientierung an Inzidenzwerten über Präsenzveranstaltungen schwebt.

Eine echte Herausforderung in einer Zeit, in der Festivals und Musikevents eigentlich gar nicht stattfinden können. Dementsprechend passt dazu das diesjährige Motto der Tonlagen: »Pause«. Der Alltag pausiert, damit die Kunst ihren Platz finden kann. Was kann da ein Festival leisten? »Für mich wären da mehrere Punkte wichtig«, sagt Moritz Lobeck. »Ich würde gerne sichtbar machen, welche Ensembles und Initiativen für zeitgenössische Musik es hier vor Ort gibt, in Dresden, in Sachsen. Bis 2009 hieß die Veranstaltung auch ‚Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik‘, diese Bezeichnung habe ich bewusst wieder aufgegriffen und als Untertitel zu ‚Tonlagen‘ ergänzt. Ausgehend von diesem regionalen Fokus ist ein weiterer Gedanke, weniger auf Kompositionsaufträge und die Fließbandproduktion neuer Stücke zu setzen, als vielmehr Ensembles selbst in den Fokus zu rücken.«

Der regionale Fokus eröffnet für Lobeck aber auch eine Chance, denn durch Corona »wird das Motto jetzt noch zentraler, denn wir müssen mit Tonlagen immer wieder pausieren, um alle geplanten Programmschwerpunkte zeigen zu können.«, sagt Lobeck zu denm mehrteiligen Festival. Der bewusst gewählte regionale und historische Blick spiegelt sich dann auch in Teilen des Programms wider. So sind mit AuditivVokal Dresden, Sächsische Staatskapelle, Elbland Philharmonie, Ensemble Avantgarde, Contemporary Insights, El Perro Andaluz oder ensemble courage zahlreiche lokale Ensembles im Programm vertreten.

Eröffnet werden die Tonlagen am 11. April allerdings nicht wie geplant mit dem Leipziger Ensemble »Contemporary Insights«. Die Veranstaltungen finden nun aufgrund der Corona-Verordnung, die keine Live-Veranstaltungen mehr zulässt, ausschließlich online als Video- oder Live-Streams sowie als Rundfunk-Übertragungen statt. Stattdessen zu erleben: »Podcast from HELL Episode 4 – Das Andere in der Musik?« DDR-Lieder – eine Talkrunde zu verschiedenen Perspektiven zur Aufarbeitung der Musik der DDR anlässlich des 35-jährigen Jubiläums des Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik.

So geht es dann mit dem Komponisten und Gitarristen Frieder Zimmermann und seinem Projekt »4 Seiten//6Saiten« am 14. April auf einen Ausflug an den Ort seiner Kindheit nach Prohlis, wo seine für 20 E-Gitarren und Verstärker entwickelte Komposition aufgeführt wird. Mit »433X22« begleitet John Cages legendäre Komposition 4‘33 in Kooperation mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden jeden Morgen des Festivals. »An Invitation to« von Julian Charrière wird sich als installative Rave-Performance an jedem Abend des Festivals weiterentwickeln. Robert Lippok und Maryvonne Riedelsheimer werden das Festival mit einer spekulativen musikalischen Studie am 2. Mai beschließen. Außerdem präsentiert Ensemble Modern »XERROX 4« von und mit Carsten Nicolai alias Alva Noto, und das Berliner Trickster Orchestra veröffentlicht im Rahmen des invasiven Projektes »Disturbing the Universal« sein neues ECM-Album.

Neben einem Fokus auf experimentelle Musikfilme in der DDR sind (kuratiert von Gisela Nauck und Jens Schubbe und in Kooperation mit dem Deutschlandfunk) Uraufführungen u.a. von Paul-Heinz Dittrich und Helmut Oehring geplant. In einem Podcast diskutiert der Musikwissenschaftler Jakob Auenmüller verschiedene Perspektiven zur Aufarbeitung der ostdeutschen Kunst in der Nachwendezeit.
Heinz K.

Tonlagen – Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik, 11. April bis 2. Mai; aktualisiertes Programm und Tickets unter hellerau.org