Der Spielplatz für Erwachsene ist jetzt das Theater

Suchtpotenzial im Interview zur 10. HumorZone

Seit zehn Jahren rocken die Musik-Comedy-Queens Ariane Müller und Julia Gámez Martin als Suchtpotenzial die Bühnen, ganz ohne Botox und Autotune. Nebenbei haben sie alle wichtigen Preise vom Deutschen Kleinkunstpreis bis zum Bayerischen Kabarettpreis abgeräumt. Im Rahmen der HumorZone, die Mitte März über 100 Künstler auf 17 Bühnen in Dresden bringt, stellen sie nicht nur ihr neues Programm »Bällebad Forever« am 15. März im Kleinvieh vor, sondern präsentieren auch am Abend darauf den Newcomer-Wettbewerb im Kleinvieh. Aus diesem Anlass sprach Kaddi Cutz für DRESDNER Kulturmagazin mit Julia Gámez Martin von Suchtpotenzial.

Was erwartet uns bei der Newcomer-Show?

Suchtpotenzial: Ja, die sind alle vier super – da hat sich die HumorZone quasi die Elite der Newcomer rausgesucht, wenn man die überhaupt noch als solche bezeichnen kann. Teresa Reichl kommt aus dem Slam und ist eine absolute Granate, die einen total geilen Spagat schafft zwischen politisch und total abstrakt-albern. Falk Pryczek ist ein klassischer Stand-Upper, genau wie Kristina Bogansky; die beiden sind so ein bisschen »New Generation Stand Up Comedy« und auch sicher was für die Jüngeren. Und für David Stockenreitner braucht man harte Nerven (lacht), er ist Österreicher und wie man weiß, haben die mitunter einen etwas morbideren Humor. Da bleibt einem manchmal das Lachen im Halse stecken. Ich finde, das ist eine total gute Mischung, da ist für alle was dabei.

Ihr seid seit über zehn Jahren im Comedy-Geschäft, wenn wir jetzt ohnehin über Newcomer sprechen: Was hat sich über die Jahre verändert, gibt es einen aktuellen Trend?

Suchtpotenzial: Es sind auf jeden Fall mehr Frauen geworden. Man muss zwar immer noch sehr kämpfen und die Veranstalter immer wieder darauf hinweisen und denen aktiv Kolleginnen empfehlen. Ich knalle Veranstalter und Fernsehproduzenten immer zu mit Videos von Kolleginnen, die ich gut finde.

Der Humorbereich war immer eine Männerdomäne, ähnlich wie auch in der Musik. Frauen haben oft größere Hemmungen und unterschätzen sich auch oft, finde ich. Angst vor Druck, vor Häme wird da schnell zum Hemmschuh. Das ändert sich jetzt, weil auch immer mehr Frauen Comedy Open Mics organisieren und es mehr Schutzräume gibt, um sich auszuprobieren.

Suchtpotenzial; Foto: Dieter Düvelmeyer

Was braucht es, damit Frauen auf Comedybühnen sichtbarer werden?

Suchtpotenzial: Es braucht mehr Risikofreudigkeit bei Veranstaltern, die sich oft einfach generell scheuen, noch unbekannteren Künstlerinnen eine Bühne zu geben. Das ist immer auch eine finanzielle Frage, da die natürlich noch nicht so viel Publikum ziehen. Und dann braucht es wirklich auch aktive Recherche. Man braucht nicht im Büro sitzen und warten, dass die Leute zu einem kommen, man muss schon auch mal aktiv rausgehen und sich Newcomer anschauen. In Berliner Läden wie »Süß war gestern« oder »Mad Monkey Room« wird Comedy-Geschichte geschrieben. Da gibt es ganz viele junge Frauen, Comedy-Shows, wo nur Frauen auftreten. Da passiert gerade richtig viel. Ich glaube, manche machen es sich da echt ein bisschen zu einfach, es wird oft mehr auf Profit geschaut, als auf Diversität.

Aktuell leben wir in schwierigen Zeiten. Welche Rolle spielt da Humor? Ist es schwieriger geworden, Leute überhaupt noch zu unterhalten oder gar zum Lachen zu bringen?

Suchtpotenzial: Auf keinen Fall! Die Leute erleben wir als sehr viel dankbarer, die sind durstig nach Lachen. Wir haben das Gefühl, dass nach Corona und jetzt gerade in der aktuellen Situation die Menschen ins Theater rennen und in die Vergnügungsparks und all das, um dem Alltag mal für ein paar Stunden zu entfliehen. Unsere aktuelle Show »Bällebad Forever« greift diese Thematik auch auf, etwa mit der These, dass Kinder eigentlich die einzigen sind, die heute noch gut drauf sind – weil sie keine Nachrichtenapp haben und gar nicht wissen, was abgeht. Der Spielplatz für Erwachsene ist jetzt das Theater, für die richtigen Spielplätze sind wir zu alt und zu schwer (lacht), da steht die Hüpfburg, da können wir ins Bällebad abtauchen und uns mal für eine kurze Zeit befreien von all dem, was da draußen gerade passiert. Und das ist total wichtig, sich da auch Auszeiten zu nehmen.

Ihr seid ja durchaus auch etwas derber unterwegs und mitunter auch bewusst provokativ. Wie geht ihr mit Gegenwind um, der in Zeiten von Social Media durchaus ja schnell mal ins Netz getippt wird?

Suchtpotenzial: Den kleineren bis mittelgroßen Shitstorms, die uns wellenförmig immer mal wieder (ausschließlich online) ereilen, begegnen wir vor allem mit humorvollem Zurückschlagen. Das ist das einzige, was hilft. Oder eben auch gnadenlos blockieren, wenn es unter die Gürtellinie geht, verletzend wird oder menschenfeindlich. Dann muss man einfach sagen: Pass auf, das Internet ist kein rechtsfreier Raum, du kannst gern deine Meinung sagen. Wenn es dir in deinem Leben hilft, uns zu sagen, dass du uns kacke oder nicht lustig findest: Tu es. Das mussten wir aber auch erst lernen. Anfangs konnten wir damit nicht gut umgehen und manchmal ist das auch heute noch so, dass es einen kalt erwischt, wenn jemand was Fieses schreibt, das einen persönlich trifft.

Was ist für euch das Besondere der Humorzone?

Suchtpotenzial: Die Zuschauerinnen und Zuschauer können in kürzester Zeit auf engstem Raum die aktuelle Comedy-Elite erleben, von alten Hasen bis zu freshen Newcomern ist alles dabei. Und wenn man sehen will, woher kommt die Comedy und wo geht sie hin, dann ist man bei der HumorZone genau richtig.

Vielen Dank für das Gespräch!

10. HumorZone Dresden, vom 13. bis 17. März in 17 Locations; mehr dazu unter www.humorzone.de/