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Neue Langsamkeit im Bahnhof Motte

Wer mit offenen Augen und Ohren in Dresdens Clublandschaft unterwegs ist, erinnert sich mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit an die Band mit dem schelmisch anmutenden Namen. Hektisch treibend, immer für einen musikalischen Kalauer zu haben und dabei stets die Gemüter aufpeitschend haben sich Bahnhof Motte den Ruf einer nicht zu verachtenden Live-Band erspielt. Nun haben sie mit der EP »AAAAA« nach eigener Aussage ihr bisher ambitioniertestes Projekt veröffentlicht.

Bahnhof Motte, Foto: Isabel Reda

Zusammengefunden haben sich Paco, Leo, Tim und Christoph an der hiesigen Musikhochschule, vereint im Wunsch, einen »Gegenentwurf zu dem, was in Kursen und Seminaren angeboten wird«, zu schaffen. Anstatt stilistische Muster nachzuempfinden und Musik akademisch zu durchdenken, sollte es erst mal »laut, stumpf, ruppig« und mit einem intuitiven Ansatz zugehen. Die Idee einer Punk-Band, in der es nicht mehr darauf ankam, »Sachen zu können und Sachen gut zu machen«, war geboren.

Das erste Album »Du kannst eh nix cooles denken wenn du so viel Zeit hast«, das sie im Selbstvertrieb im März 2021 veröffentlichten, hat sich dabei organisch aus Jam-Sessions entwickelt. Dichte, noisige und laute Songs, die an Nowave-Bands der 80er Jahre oder an den Noiserock von Swans und Einstürzende Neubauten erinnern, aber auch anerkennend die technischen und kompositorischen Tools aus dem Studium mitnutzen. Im »Rauspicken von hier mal einem Einfluss, da mal einem Groove, da mal einem Zitat« finden ihre unterschiedlichen Einflüsse, die von Math-Rock à la Black Midi über ABBA, Modern- und Free-Jazz bis zu Tom Waits reichen, Einzug in die Musik. Die Texte sind enigmatisch und uneindeutig, ein Gemisch aus assoziativen Wortfetzen. »Vielleicht wie bei Lynch«, sagt Schlagzeuger Tim.

Ihre Musik sehen sie trotz oder wegen aller Uneindeutigkeit als einen Kommentar zur Gesellschaft, zum Zeitgeist und zur empfundenen Machtlosigkeit, ohne dabei in politische Parolen und Plattitüden abzudriften. Es gibt zwar einen Konsens, wofür und wogegen man steht – sie bezeichnen sich als eher »linksliebende Leute«, haben eine Affinität für DIY- und Soliclubs – aber das soll sich nicht unmittelbar den Hörern aufdrängen. Es gehe eher darum, eine Stimmung, eine »Sammlung an Situationen, die einen Gesamteindruck hinterlassen«, auszudrücken.

Die Ende Oktober erschienene EP »AAAAA« stellt nun einen weiteren Meilenstein in der noch jungen Bandgeschichte dar. Gemeinsam mit befreundeten Bläserinnen haben sie im großen Saal des Zentralwerks drei opulente, ausgedehnte Songs mit weiten Spannungsbögen aufgenommen, die wirken, als wollten sie mit der eigenen Vergangenheit brechen, und in ihrer Dramatik an Postrock-Bands wie Black Country, New Road erinnern. Drummer Tim fasst es unter »Rock-Oper«.

Und für die Zukunft? »Weiter wie bisher, nur mehr davon«, sagt Bassist Leo.

Philipp Mantze

Näheres zur Band unter bahnhofmotte.de