Wortlos, intim und riskant

Die diesjährige Ausgabe des Regie-Festivals »Fast Forward« verspricht frisches Theater vom Feinsten

Wenn Anfang November wieder Scharen jutegebeutelter Studentinnen und Studenten im Retro-Oversize-Look in Scharen die Straßenbahnen entern und sich der Beginn der einen oder anderen Vorstellung dann doch verschiebt, weil die Anschlüsse zwischen den verschiedenen Spielstätten nicht so ganz reibungslos gelingen, aber trotzdem alle entspannt bleiben, dann ist wieder »Fast Forward«-Zeit – und junges europäisches Theater zeigt, was heute so alles geht auf der Bühne.

Aus sieben eingeladenen Produktionen lässt sich dieses Mal wählen. Und bereits die Vorankündigungen lesen sich spannend. Da bietet Mario Banushi (Griechenland) mit »Goodbye, Lindita« die Inszenierung eines Abschieds, das Hinüberbegleiten in den Tod, eine Inszenierung, die ganz ohne Worte auskommt. Vielleicht braucht der Tod keine Worte.

Goodbye, Lindita von Mario Banushi

Mit »Second Season« der internationalen Performancegruppe Boys* in Sync (Regie: Simon David Zeller) versucht eine zeitgemäße Version von Zuckmayers »Der fröhliche Weinberg« erschreckenderweise fast das Gleiche, wie das Stück zu seiner Uraufführung 1925: rechte Tendenzen durch weglachen zu bekämpfen. Ist das politisch?

Patrik Lazić (Serbien) konfrontiert in seinem Kammerspiel »Our Son« einen schwulen jungen Mann mit seinen Eltern und deren Akzeptanzvermögen, und der Portugiese Mário Coelho meint »I’m still exited« und lässt damit zwei junge Menschen am Ende ihrer Liebe zurückschauen.

Der Belgier Salim Djaferi hat im Fall von »Koulounisation« nicht etwa einen Sprachfehler. Um Sprache geht es in seiner Arbeit aber schon: um die Möglichkeit, mit Sprache die Vergangenheit zu bewältigen, die hier konkret die französische Kolonialgeschichte, die für Algerien bis heute nachwirkt.

Woyzeck eine Überschreibung von Glossy Pain frei nach Georg Büchner

Minna Lund (Finnland) deutet bereits mit dem sperrigen Titel »Message from Tyler – Memento mori, Kirsikkathara« Spengstoff an: Sie lässt allen Ernstes die Kapitalismuskritik des »Fight Club« und Tschechows erblastigen »Kirschgarten« aufeinander los. Und so gar nicht deutsch wird Katharina Stolls »Woyzeck« ausgehen. Also, ausgehen wird er wie immer. Die Frage lautet hier aber: Wieso? Warum führen wir Beziehungen so, wie wir sie führen?

Neben Neugier und Offenheit lohnt es sich, aktiv dabei zu sein: Wie immer sind die Besucher dazu eingeladen, für den Publikumspreis abzustimmen, der neben dem Preis der Jury am Abend des letzten Veranstaltungstags im Rahmen einer großen Party verliehen wird.

Rico Stehfest

Fast Forward. Europäisches Festival für junge Regie, vom 2. bis 5. November, im Kleinen Haus, Festspielhaus Hellerau, Labortheater der HfBK und Hole of Fame; mehr unter fastforw.art