Hickhack um Dresdens Vegane Fleischerei

Ein Kommentar von Kaddi Cutz

In Dresden hat vor wenigen Wochen Deutschlands erste »Vegane Fleischerei« eröffnet. Zur Eröffnung kringelte sich eine lange Schlange vor dem Geschäft am Bischofsweg, das Reptil ist seither täglich dort anzutreffen. Der Laden boomt, inzwischen gibt es sogar einen Onlineshop, um auch Menschen außerhalb von Dresden mit tierleidfreien Aufschnitten, Braten und sonstigen Gerichten zu versorgen. Der Shop ist die Antwort auf die große Nachfrage, die als Folge der überregionalen Berichterstattung erfolgte. Die wiederum wurde vor allem auch dadurch befeuert, dass viele Fleischfans sich vom Geschäftsmodell der Herren Henning, Stefan, Nils und Quis offensichtlich nicht nur empfindlich gestört, sondern auch arglistig getäuscht fühlten und ihrem Unmut vor allem in den sozialen Netzwerken lautstark Ausdruck verliehen.

Woher aber kommt diese Aggression? Wie mit Krakenarmen überziehen Gift und Galle die Kommentarspalten, eine vernünftige Diskussion scheint ebenso utopisch wie die Landung außerirdischer Individuen am Brandenburger Tor oder ein witziger Mario Barth.

Und einer der häufigsten Kommentare in Diskussionen zum Thema Veganismus auf Social-Media-Plattformen ist ironischerweise die Frage: »Haben wir keine anderen Probleme?« In Anbetracht des Zeitaufwandes, dessen es bedarf, sich unter zahllosen Artikeln zu echauffieren, verbal zu zerfleischen, zu beleidigen und die immer gleichen unlustigen »Witze« und »Argumente« in Endlosschleife wieder und wieder abzuspulen, würde ich vorsichtig mutmaßen: Nein, offensichtlich nicht. Warum sonst sollte man aus einer reinen Information eine Bedrohung für Leib und Leben, die Gesellschaft oder gar Deutschland machen?

Vegane Fleischerei Dresden, Nils Steiger; Foto: Anja Schneider

Tja. Man weiß es nicht. Auch ich selbst schwanke regelmäßig zwischen Amüsement und Abscheu. Ich hasse mich selbst, wenn ich mich wieder einmal von einer Headline habe verführen lassen, die grumpy Reaktionen verheißt, weil ich dann auch wissen will, ob sich wirklich jemand entblödet hat, diese wütend ins Netz zu rotzen. Und natürlich hat sich jemand. Viele sogar. Und immer.

Natürlich ist eine Vegane Fleischerei ein Oxymoron, ein Widerspruch in sich. Und natürlich wissen das auch die Macher und fahren da eine durchaus sehr clevere Marketingstrategie, indem sie mit dem Paradoxon spielen. Absurd wird es dann jedoch, wenn vermeintlich kritische Stimmen eine Verbrauchertäuschung wittern: Ja, meine Güte, Heinz-Jürgen, es ist eine Vegane Fleischerei! Wie genau brauchst du es denn noch? Es ist ja nichts weiter als eine Kennzeichnung: Wer veganen Aufschnitt aufs sonntägliche Frühstücksbrötchen drapieren oder sich einen tierfreien Sonntagsbraten reinzwiebeln möchte, findet hier alle nötigen Zutaten. Obendrauf gibt’s ein bisschen Tante-Emma-Laden-Schnack, das Gefühl, dass sich jemand bei den Produkten Gedanken gemacht und Mühe gegeben hat, und eine Auswahl, die sich in Supermärkten so eher nicht findet. Wer das alles total scheußlich findet, ist vor allem eins: Gewarnt. Noch deutlicher kann man es ja wirklich nicht ausdrücken. Ich würde sogar soweit gehen, dass der Gebrauch eines der sonst üblichen Wortspiele wie »Vleischerei« den einen oder die andere womöglich effektiver in die Irre zu führen vermöge. Immerhin sind die Produzenten veganer Tierersatzprodukte ja quasi die Friseurgeschäfte der Nahrungsmittelindustrie: Vischstäbchen, Vleischwurst, Veta und (hoffentlich nicht) Vozzarella – ob das wirklich besser ist?

Ich selbst bin absolut kein Fan von Fleischersatzprodukten, verstehe aber, warum Schnitzel, Rouladen und Salami aus diesen so nachgebaut werden, dass sie dem Original möglichst nahekommen. Denn – und das wurde jetzt wirklich erschöpfend erklärt – wer vegan lebt, will, dass für ein paar Sekunden Kauen kein Tier sterben muss, aber nicht auf den Genuss seiner Lieblingsspeisen verzichten. Auch dass Veganer ihre Lebensweise anderen immer aufzwingen wollen, finde ich in den Kommentarspalten eher ins Gegenteil verkehrt, immerhin wird schon das bloße Posten einer veganen Rezeptidee von Fleischophilen als Versuch einer Umerziehung verstanden. Die Angst davor geht bei einigen so weit, dass die Betreiber der Veganen Fleischerei jüngst sogar Morddrohungen erhalten haben. Warum das Ganze so emotional diskutiert und aus all dem so ein Hickhack gemacht wird, ist schwer nachvollziehbar. Immerhin handelt es sich dabei ja nur um ein Mehr an Angebot, eine Alternative. Niemandem wird etwas weggenommen, niemand wird durch das bloße Vorhandensein dieses Ladens über Nacht zum Fleischverächter. Eigentlich ist also alles gut. Wenn die Langeweile also das nächste Mal zuschlägt, vielleicht einfach mal an die frische Luft und eine Runde um den Block gehen, statt wütend in die Tasten zu hauen. Denn zum Glück leben wir ja in einer Demokratie. Was andere essen oder nicht essen, kann uns deshalb Wurst sein. Oder Vurst. Oder auch einfach egal.

Die Vegane Fleischerei findet sich auf dem Bischofsweg 20; vegane-fleischerei.de