»Auf einmal stand ich mitten in den Bildern … «

Ray van Zeschau im Gespräch zu seinem Film »Mein Freund Lubo«

Ray van Zeschau hat einen Film über seinen Onkel Lubo gedreht. Genauer: wie er nach dem Tod seines Onkels nach Sofia fährt, um die Wohnung aufzulösen. Der bulgarische Künstler Ljuben Stoev hatte von 1957 bis 1963 an der HfBK Dresden bei Lea Grundig studiert. Den politisch engagierten, sozialkritischen Ansatz, der Grundigs Kunst und Lehre geprägt hatte, ließ Stoev nach seiner Rückkehr nach Bulgarien erst einmal beiseite und beschäftigte sich mit anderen Themen. Erst als nach 1990 auf den Straßen von Sofia das Elend immer offensichtlicher wurde, hat ihn diese Situation wieder zu seinen künstlerischen Wurzeln zurückgeführt. In seinen Zeichnungen und Collagen porträtierte er Außenseiter und sozial Unterprivilegierte, aber auch Zuhälter und Schläger. »Mein Onkel Lubo« ist ein Porträt über den bulgarischen Künstler, das auf Interviews basiert; es ist aber auch eine Reisegeschichte und ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Werk. DRESDNER-Autorin Annett Groh sprach mit Ray van Zeschau zu seinem Film.

Die Bilder von Ljuben Stoev waren 2020 in der Städtischen Galerie zu sehen, und darum dürfte sein Name manchen hier ein Begriff sein. Für alle anderen in ein paar kurzen Worten: Wer war Dein Onkel?

Ray van Zeschau: In der bulgarischen Kunstszene war er eine maßgebliche Figur und interessant genug, um ins Fernsehen zu kommen. Nach dem Studium ist er gleich nach Sofia zurückgegangen und war bis zu seinem Tod Maler und Grafiker. Im Wesentlichen hat er nichts anderes als das gemacht. Allerdings: die ganz große Berühmtheit ist er mit seinen Bildern nicht geworden, als er angefangen hat, sich für soziale Themen zu interessieren. So was kauft ja auch keiner. Er hat auch, wie sein Bruder und mein Vater von ihm im Film sagt, von einer sehr kläglichen Rente gelebt.

Der Künstler Ljuben Stoev und sein Neffe Ray van Zeschau; Foto: Grit Dora von Zeschau

Wie ist das Filmprojekt selbst entstanden?

Ray van Zeschau: Ursprünglich gab es den Plan eines Filmemachers, ein Porträt über meinen Onkel zu drehen. Der Film ist aber nicht fertiggestellt worden, und nach seinem Tod gab es diese ganzen Interviewaufnahmen. Mein Vater hat mich dann faktisch ins kalte Wasser geworfen. Mir wurde gesagt: »Wir erzählen jetzt die Geschichte deines Onkels über dich.« Darum heißt der Film auch »Mein Onkel Lubo«. Ich bin also nach Sofia gefahren, und dann wurde der Film gedreht. Es gab ein Grundkonzept, aber die Arbeit selbst war ein Chaos vor dem Herrn (lacht).

Das sieht man dem Film gar nicht an!

Ray van Zeschau: Ursprünglich bin ich als Ray angetreten, um mich selbst zu spielen. Am Ende war ich dann dann aber neben der Funktion des Darstellers, auch noch Musiker, Organisator, Texteschreiber, Co-Regisseur und schlussendlich deutscher Co-Produzent. Das Ganze ist für mich ein niemals endendes Riesenprojekt geworden. Von Anfang an war klar, dass wir zwei Varianten brauchen: eine bulgarische und eine deutsche. Denn so, wie die Geschichte in Bulgarien erzählt wird, funktioniert der Film hier nicht. Hier in Deutschland müssen wir mehr erklären über den bulgarischen Alltag und die sozialen Verhältnisse. Für mich selbst war das auch sehr interessant, denn ich kannte ja die ganzen Bilder meines Onkels, konnte damit aber nie so richtig etwas anfangen. Für den Film war ich dann zum ersten Mal in dieser Suppenküche, die für die Installationen und Zeichnungen so eine große Rolle gespielt hat – und auf einmal stand ich mitten in diesen Bildern.

Der Film zeigt, wie die Ausstellung 2020 in der Städtischen Galerie zustande kommt, als wäre sie Teil der Inszenierung.

Ray van Zeschau: In gewisser Weise ist das auch so, weil wir ja eine Geschichte erzählen wollten – und zum Abschluss des Films sollte es einfach noch einmal eine Ausstellung in Dresden geben. Es war der große Wunsch meines Onkels gewesen, noch einmal hier auszustellen, und ich hatte in den Jahren vorher die üblichen Verdächtigen der Szene nach Möglichkeiten gefragt. Die Antwort war jedes Mal gewesen: »Ja, das ist alles sehr interessant, aber man kann das nicht verkaufen.« Also genau dasselbe, was mein Onkel immer gehört hat. Dann habe ich aber Johannes Schmidt von der Städtischen Galerie zwei Kataloge gegeben. Er war sofort begeistert – und auf einmal funktionierte das! Für mich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich hätte es meinem Onkel zu Lebzeiten gewünscht.

Vielen Dank für das Gespräch!

»Mein Onkel Lubo« in der Regie von Nikola Boshnakov und Ray van Zeschau wird am 6. Januar, 19 Uhr, in der Schauburg als Deutschlandpremiere gezeigt.