»Meine Hauptangst ist, dass Menschen nicht mehr die Chance haben werden, zusammen in großen Räumen zu sein.«

Nachgefragt bei Pish, Sänger von Kakkmaddafakka (KMF) von Matthias Hufnagl

Wirre Zeiten. DRESDNER-Autor Matthias Hufnagl hat sich via Schalte nach Norwegen bei Pål Vindenes nach dem Stand der Dinge erkundigt. Der fungiert unter dem Namen Pish nicht nur als Sänger von Kakkmaddafakka, sondern ist seit ein paar Jahren auch immer wieder solo unterwegs. Wie so viele verbringt der sonst so umtriebige Musiker gerade viel Zeit zu Hause und erzählt, womit er sich die Langeweile vertreibt, was er vermisst und wovor er Angst hat.

Was nimmt deine Zeit am meisten in Anspruch, während du dich drinnen aufhältst?

Pish: Nach unserer letzten Tour mussten wir direkt in Quarantäne. Da habe ich angefangen Computerspiele zu streamen. So konnte ich von zu Hause etwas Sinnvolles tun. Ich sehe das einfach als Arbeit.

Was ist dein favorisiertes Quarantäne-Spiel?

Pish: League of Legends – aber ich spiele auch andere Sachen.

Wie sieht es neben Computerspielen mit Binge Watching aus?

Pish: Dafür bin ich nicht der Typ – ich schaue mir lieber verschiedene Shows und Serien an.

2018 erschien mit »Pish« dein selbstbetiteltes Solo-Debüt, im letzten Jahr »Diplomacy«, die aktuelle Platte von Kakkmaddafakka und diesen Februar gab es mit »School’s Out« bereits deine zweite Veröffentlichung auf Solopfaden. Klingt nach Workaholic?

Pish: Das trifft es ziemlich gut – wenn ich nicht arbeiten kann, werde ich schnell depressiv.

War die Quarantäne für dich dementsprechend besonders belastend?

Pish: Es war die Hölle. Ich hasse es. Man kann ja nicht mal mehr in eine Bar gehen.

Nicht mehr von Menschen umgeben sein zu können macht einen spürbaren Unterschied.

Pish: Besonders in Norwegen, weil es hier sehr dunkel und regnerisch ist. Man begegnet sich nicht mehr. Die einzigen Orte, an denen man sich normalerweise trifft, sind nun mal die Bars. Mental ist das nicht ganz ohne.

Viele Künstler haben ihre Aktivitäten dieser Tage ins Internet verlegt. Bist du auch digital aufgetreten?

Pish: Eine Woche nachdem wir aus der Quarantäne entlassen wurden, haben wir mit Kakkmaddafakka im Rahmen eines Online-Festivals gespielt. Eine weitere Show nur mit Pish gab es etwas später; die wurde hier in Bergen aus einer Bar namens Lekk gestreamt. Beide Konzerte waren top und trotz allem ziemlich professionell aufgezogen.

Was war das für ein Gefühl, nur vor Kameras, anstelle vor tanzenden Menschen zu spielen?

Pish: Merkwürdig. Dadurch, dass ich aber mittlerweile ans Streamen gewöhnt bin, fühlte es sich schnell seltsam vertraut an.

Was sind deine Hauptängste in puncto Virus – auch ganz speziell im Hinblick auf die Kultur- und Musiklandschaft?

Pish: Meine Hauptangst ist, dass Menschen nicht mehr die Chance haben werden, zusammen in großen Räumen zu sein. Abgesehen davon habe ich Bedenken, dass sich Gesellschaften dahingehend entwickeln, dass man sich nicht mehr anfassen darf. Nicht nur für junge Menschen wird es so schwieriger, sich kennenzulernen und einander zu nähern. Wie lange wird man Freunde nicht mehr umarmen dürfen? Das wird zu großen psychischen Problemen führen.

Befürchtest du, dass Clubs und Veranstaltungsorte in ganz Europa oder sogar weltweit schließen müssen?

Pish: Ja natürlich. Das ist ein großes Problem. Viele großartige Stätten werden es nicht schaffen, die wird es nach dieser Misere einfach nicht mehr geben. Wir haben das gerade selbst erlebt, als wir in Budapest waren. Der Club wurde an dem Tag dicht gemacht, als wir dort waren. Generell werden viele Menschen nicht damit zurechtkommen, keine Arbeit mehr zu haben. So etwas lässt sich nicht so einfach bewältigen – schon in dieser Hinsicht ist das Ganze extrem traurig.

Zum Schluss ein Satz an dein Publikum?

Pish: Bleibt ruhig und schaut nicht zu viele Nachrichten.

Besten Dank!

Das Konzert von Pish ist für den 28. Mai 2020 in der GrooveStation geplant. Das komplette Interview zum aktuellen Album, dem Konzept dahinter und Pishs Umgang mit Drogen folgt im Mai/Juni-DRESDNER.