OG Keemo
Mann beißt Hund
(Chimperator)
Mann beißt Hund ist im Gefüge des deutschen Hip-Hop ein Anachronismus – nicht nur, weil das Album über zwölf Monate nach dem ursprünglich angedachten Termin veröffentlicht wurde. Keine große Promophase, kaum Singleauskopplungen, kaum Features: MbH verwehrt sich den streaming-geprägten Marktmechanismen. Ja, OG Keemo und sein Produzent Funkvater Frank wagen gar, ihrem neuen Album eine dezidierte Form zu geben: In drei Figuren wird eine Jugend in den Hochhaussiedlungen des Rhein-Main-Gebiets erzählt, die Perspektive fließt vom Gangsterbengel Malik (»Ich geh' raus und mache ein, zwei Hunnis zu 'nem Taui und geh' heim«) über den hadernden Yasha (»Der Scheiß war witzig, bis er's nicht mehr war«) zu Karim aka Keemo selbst – wer hier wer ist, verwischt oft. So stellen die drei Charaktere am Ende verschiedene Seiten einer Medaille dar, oder auch: drei mögliche Lebensläufe OG Keemos. Schon diese formale Entscheidung, der eine in diesem Genre so seltene Durchdachtheit innewohnt, reicht, um MbH zu einem der besten Deutschrap-Alben der letzten Jahre zu machen. Die eigenständigen, Jahrzehnte zusammenführenden Instrumentals (Funkvater Frank setzt hierbei auf eine hohe Dichte kratziger Samples, die durch moderne Trap-Einflüsse gebrochen werden) gepaart mit einer lyrischen Finesse, wie man sie selbst im US-Rap nur selten erlebt, erlauben gar die Frage, ob es ein so ambitioniertes Album in den rund 40 Jahren Hip-Hop-Geschichte hierzulande überhaupt schon gab.
Anton Schroeder
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