Milliarden
Schuldig
(Zuckerplatte / The Orchard)
Alles anders? Nicht ganz. Zumindest kommt das neue Album als Hausmarke daher. »Zuckerplatte« heißt das bandeigene Label von Ben Hartmann und Johannes Aue, den beiden Jungs hinter Milliarden, »Berlin«, der Vorgänger. Bunt, rau und laut ging es da um eimerweise Spreewahnsinn. Mit dem gleichnamigen Stück lieferte das Duo gar die unverblümte Hymne für die Stadt. Gut war das! Saugut ist »Schuldig« zweieinhalb Jahre später mit einem mehr an Tiefgang, Tragik, Ehrlich- und Schonungslosigkeit. Als »Himmelblick«, die erste Single zum Album im Autoradio läuft, prasselt der Regen aufs Dach. Eine ungewisse Corona-Zukunft lässt die Scheiben von innen beschlagen. Da tropft unvermittelt der Satz »Ficken den Tod einfach weg« aus den Lautsprechern. Ich vergesse an der Ampel abzubiegen, surfe einmal um den Block um das Stück ganz zu hören. Für einen kurzen Moment ist die Pandemie weit weg. Das innere Auge oszilliert wilde Abende zwischen Club und Ufer, Rausch und Kater, Begehren, Kritik und Abschied vorm ersten Kaffee. Kopfkino, das auch die anderen zehn Kleinode erzeugen, wobei es musikalisch wieder ordentlich knarzt unter der Tanzdiele. »Schuldig«, das ist Selbstreflexion vorm großstadttrüben Standspiegel. Es regieren Zweifel im Wechsel mit Übermut, Gefahr und Gewalt ummantelt von Zärtlichkeit und Hoffnung. Stücke wie »Die Fälschungen sind echt«, oder das finale »Trenn dich« sind musikalische Roadmovies, gestreamt vor eigener Erfahrung. In »Ich schieß dir in dein Herz« heißt es: »Meine Lieder singe ich seit Jahren nur für dich. Egal wie laut ich schreie, du hörst mich einfach nicht.« Mit »Schuldig« sollte das passé sein. Menschen, die wissen wie Exzess schmeckt, werden diese Platte lieben. Andere sollten kosten.
M. Hufnagl
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