Die Ärzte
Hell
(Hot Action Records / Universal)
Ist das Punk, oder kann das weg? Eine neue Platte von Die Ärzte und die Seziermesser werden gewetzt. Untersucht wird, wie viel Punk noch pocht, ob Reime originell oder altbacken sind, welcher zeitgemäßen Strömung sich mit Altherrenwitz angedient wird und wo es neue Maßstäbe gibt. Ist das gefährlich oder gefällig, provokativ oder prollig, noch meine Band oder endgültig Verkehrsfunk? Geschenkt. »Hell« ist Bombe. 18 Songs, gut geschrieben, virtuos in der stilistischen Bandbreite, gut im Wechselspiel der Charaktere, melodiös treibend, von Punkrock bis Partykellerkracher. Acht Jahre Pause taten der Band gut, nicht nur im Vergleich zum Vorgänger »Auch« ist das hier alte Klasse. Begrüßt wird man auf »Hell« hingegen mit Autotune. Jener Mode-Software zur automatischen Höhenkorrektur, die mittlerweile aus jeder Boombox schallt. Trap-EDM-Rummelstreamsounds als Zeitgeistsatire. E.V.J.M.F. – auch das funktioniert. Warum mit »True Romance« allerdings der schwächste Song als zweite Single ausgekoppelt wird, weiß wohl nur ein Gott namens Bela-Farin-Rod. Ist aber auch kein Thema mehr, hat »Hell« doch längst den Olymp der Albumcharts erklommen – mit bester PR zur Prime Time im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der »Woodburger« schäumt und bekommt im letzten Song sein Fett weg. Auf die Frage, warum es lange so ruhig um die Band war, antwortet Farin Urlaub bei Ingo Zamperoni: »Wir mochten uns nicht.« Ein Album als Ode an die wiedergewonnene Freundschaft? Das hört man vor allem bei Perlen wie »Plan B«, ein klassischer Die Ärzte-»Wall of Death«-Antrittsappell, dem mitreißend entwaffnenden »Leben vor dem Tod« oder Belas Oi!-Ritt »Alle auf Brille«. Das macht Laune. Erleben wird man aber auch Die Ärzte erst wieder nach der Covid-Misere. Die Vorfreude ist angeschürt. Fast wie früher.
M.Hufnagl
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