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Woods Of Birnam

Woods Of Birnam

(Royal Tree/ Broken Silence)


Die Versuchung für Schauspieler scheint groß, sich in einem anderen Fach auszuprobieren. Insbesondere ist der Wunsch ausgeprägt, einmal als Musiker im ganz großen Rampenlicht zu stehen. Zahlreiche missglückte Versuche von gefeierten Schauspielern, ihre zweite Passion auszuleben – man denke nur an die peinlichen Auftritte von Ben Becker als »Sänger« – sprechen dafür, dass man sich diesen Schritt allerdings schon sehr genau überlegen sollte. Christian Friedel, seit 2009 im Ensemble des Staatsschauspiels Dresden engagiert und in so einigen, auch erfolgreichen deutschen Kinofilmen präsent, ist da mehr oder weniger hineingeschlittert. Die Hamlet-Inszenierung von 2012 brachte ihn mit den Musikern von Polarkreis 18 zusammen, deren Band sich gerade in einer kreativen Krise befand, aus der sie noch immer nicht herausgefunden hat. Daraus entstand die EP »Hamlet« und nun das erste Album. Den Shakespeare-Bezug tragen Friedel & Co. schon im Namen, denn in eben diesen Wäldern hält der Tyrann Macbeth seinen Schlussmonolog und stirbt. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir gleich bei dem aus der Hamlet-Inszenierung und von der Debüt-EP her bekannten Opener Gänsehaut bekommen. »I'll Call Thee Hamlet« zählt dann auch wie das vorab als Video veröffentlichte »The Healer«, das an die frühen Radiohead erinnernde »Daylight« und das psychedelische »Falling« zu den stärksten Songs des Debüts. Christian Friedel ist nicht allein nur Sänger, sondern auch Songwriter der Woods Of Birnam. Seine wandelbare Stimme weiß er geschickt einzusetzen; mal erinnert er an einen zerbrechlichen Tom Yorke, mal klingt er wie Bono, stets zeigt er sich präsent und unverkennbar. Der PK18-Klangkörper bettet die Songideen in ein smartes, vielschichtiges Soundgewand und Tobias Siebert als Produzent setzt die markante Frontstimme nach vorn und zieht Chorus und Backgroundgesang als roten Faden. Das Album, erschienen auf dem bandeigenen Label, pendelt zwischen Melancholie und Glücksgefühlen, gefühlvoller Singer/Songwriter-Attitüde und Indiepopsongs britischer Prägung in Cinemascope mit Anklängen an 80's Synthie-Pop (»Dance« hätte auch auf einem PK18-Album Platz gefunden). Ein harmonisch umwerfendes Debüt – und endlich mal wieder ein richtig gutes Popalbum aus Dresden.
Heinz K.
Woods Of Birnam Record-Release-Konzert am 9.11.2014 in der Groove Station.
www.woodsofbirnam.com
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