»Zerstich, zerstich dies Herz!« – im projekttheater wird ein letzter Mord bitter bereut
30. April 2015 – Ein Häufchen Elend ist sie nur noch, die Frau, die gemeinsam mit ihrer Mutter unwissentlich den Sohn und Bruder ermordet hat, getrieben von Gier nach Geld, von der Sehnsucht nach einem besseren Leben. Es ist bei weitem nicht der erste Mord, den die beiden auf der Rechnung haben. Jetzt aber hockt sie verzweifelt in einer Ecke, versteckt unter einer Decke.
Auf der Basis von Camus »Das Missverständnis«, in dem das Frauengespann eine kleine, stille Pension betreibt (das hier titelgebende »bittere Haus«), die reichen Geschäftsleuten zur letzten Einkehr wird, hat das Aphoris Theater (Leipzig) einen gewichtigen Monolog auf die Bühne gewuchtet, erweitert durch Nietzsches Gedicht »Klage der Ariadne«.
Die Regie (Mahmoud Sabahy) hat der Darstellerin (Ulrike Zeitz) nur wenige Requisiten an die Hand gegeben: ein weißer Hocker, eine Art kleine, weiße Amphore, aus der sie während ihres Leidensmonologs immer wieder trinkt und die sie schließlich umkippen wird. Weiße Milch ergießt sich langsam über den Boden. Von Unschuld aber kann eben in keinem Moment die Rede sein, nicht mehr. Und jene Decke, weiß, wie das Laken, dass sie ihrem unerkannten Bruder bereitet. Inklusive Kehrseite. Blutrot strahlt das Zeugnis der ungesühnten Greueltaten, sobald sie die Decke umdreht. Schutz bietet diese niemandem mehr. Als die beiden Frauen die Identität des Getöteten erkennen, richten sie sich selbst.
Der Text birgt nicht nur bittere Tragik, sondern transportiert diese auch mit großem Pathos. Dass man als Schauspieler in diesem zu ertrinken droht, liegt in der Natur der Sache. Ulrike Zeitz kämpft nicht nur mit dem »schadenfrohen, unbekannten Gott« Nietzsches. Ihr Spiel ist souverän, doch die Textfülle ermöglicht ihr kaum Höhepunkte, zu sehr scheint sie in der Dramatik eingesponnen. Was dadurch entstanden ist, erscheint weniger als Schauspiel, als vielmehr als eine Art szenischer Lesung, nur eben ohne Textvorlage. Dramaturgisch hätte hier ein stärkerer Zugriff gewagt werden können. Der Applaus fiel etwas spärlich aus, was angesichts der Wucht und Eindringlichkeit allerdings nicht direkt verwundern mag.
Nach der Dresdner Premiere grüßte Ulrike Zeitz an der Bar »unseren Beckett«, dessen Konterfei seit Menschengedenken dort an der Wand hängt. Und man erinnert sich wieder, dass sich auch Beckett angesichts der Frage nach einem »gnädigen Gott« nur ein trockenes Lachen abringen konnte.
Rico Stehfest
Nächste Vorstellung: »Das bittere Haus«, 30. April, projekttheater, 20 Uhr.
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