Wütender Tanz auf dem Vulkan – Die Hofesh Shechter Company zeigt in Hellerau ein düsteres »Sun«
23. Januar 2016 – »Räsonieren wir ohne Furcht. Der Nebel wird sich schon halten«. Samuel Becketts grimmige Worte scheinen wie eine Grundlage für diese Arbeit des in England lebenden israelischen Choreographen. Dessen Sonne aus dem Titel ist hier verhangen, der Bühnennebel füllt den gesamten Saal. Gleich zu Beginn wird deutlich, welch zornigen Blick diese Arbeit auf ihre eigenen Ausdrucksmittel wirft: »Ihr werdet uns niemals kriegen«, droht eine Stimme aus dem Off. Und so verbergen sich die Tänzer immer wieder hinter scheinbarer Banalität und scheinbaren Rollen. Die Verlautbarung, es handele sich hier um eine schlichte Geschichte um Schwarz und Weiß, ist natürlich doppelzüngig. Der Wolf bedroht die Schafe. Der Kolonialherr steht neben dem »edlen Wilden«. Es sind aber nur Abbilder, zweidimensionale Figuren, die in ihrer vermeintlich eindeutigen Geste eben gerade nicht so simpel daherkommen, wie es scheint.
Hofesh Shechter zeigt deutliche Einflüsse aus seiner Zeit als Tänzer der Batsheva Dance Company unter Ohad Naharin. Auch dessen Arbeiten kommen immer wieder vermeintlich simpel daher und tragen gleichzeitig diese Doppelbödigkeit in ihren Assoziationsmöglichkeiten.
Die Tänzer in ihren Kostümen, die alle erdenklichen Abstufungen von weiß zeigen, scheinen einen fröhlichen Reigen aufzuführen. Für diese Fröhlichkeit klingen die mesmerisierenden Trommelrhythmen allerdings viel zu bedrohlich. Der Tod tanzt mit. Da wird erdolcht, erschossen, wird die Kehle durchgeschnitten. Und immer weiter fröhlich im Gänsemarsch. Würde man nur einen kurzen Blick darauf werfen, man könnte es glatt für ausgelassene Folklore halten.
Der Beginn des Stücks zeigt angeblich einen kurzen Auszug aus dem Schluss. Zu jenem Zeitpunkt schmunzelt man noch. Das ist aber nichts als Irreführung. Hier werden Erwartungen unterwandert, der Boden der Bequemlichkeit für den Zuschauer ist rau. Es ist der Vorwurf watteweichen Konsums »schöner« Kultur, während ringsumher andere Fragen in der globalisierten Welt dringlicher sind. Deshalb heißt es auch kurz vor dem Schluss: »Hier habt ihr euer verficktes Finale!« Das klingt nicht nur wütend und bitter, sondern vor allem zynisch. Aber wie kann zynisch sein, was wahr ist?
Rico Stehfest / Fotos: Gabriele Zucca
Nächste Vorstellung: »Sun« im Festspielhaus Hellerau am 23. Januar, 20 Uhr.
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