Wish you were Beer – Die Frei-Spieler kriegen auf ihrer »Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt« keinen Fuß auf den Boden

21. Dezember 2016 – Die Konstellation könnte eigentlich kaum reizvoller sein: Jugendlicher Hedonismus, getriebene Sinnsuche, Rastlosigkeit, Drogenexzesse, endlose Nächte. Bernard Marie Koltés Roman »Flucht zu Pferd bis ans Ende der Stadt« ist ein inneres Aufbäumen einer Gruppe Süchtiger. Es ist ihre Sucht nach dem Leben, die sie umtreibt und sich gegenseitig (wie auch sich selbst) emotional in Richtung Abgrund steuern lässt. Zusätzlich noch mit untergemischt sind Motive aus »My private Idaho«. Also auch noch Roadmovie und noch mehr unerwiderte Liebe. Feine Sache.


Das lässt sich auch ganz gut an: Auf dem Rücken der Jeansjacke eines der Darsteller prangt der Schriftzug »Wish you were Beer«. Ein Credo, das vor dem Punk den Hut zieht. Den Frei-Spielern bleibt unter der Regie von Christiane Guhr allerdings zum einen nur die bräsige deutsche Übersetzung, die dem Text jeglichen Straßendreck rausgeklopft hat. Zum anderen stehen die Darsteller (als Amateure) vor einem grundsätzlichen Dilemma: Es nützt nichts, vor jugendlicher Energie nur so zu strotzen, wenn das gemütlich eingerichtete Bürgertum versucht, den Abschaum aus der Gosse zu mimen. Kaum etwas könnte von der realen Lebenswelt der Darsteller weiter entfernt sein. Entsprechend wenig überzeugend gerät das Ganze. Daraus einen grundsätzlichen Vorwurf zu formulieren wäre wenig sinnvoll. Aber dann sollte man sich eben etwas einfallen lassen. Und genau das fehlt in dieser Inszenierung.


Da steht Barba am Tresen und meint, sie würde es nicht mehr lange machen. Aber von Fatalismus keine Spur. Im gleichen Ton hätte sie auch sagen können, dass keine Milch mehr im Kühlschrank ist. Ihr Gegenüber schmachtet sie währenddessen an und kann nach eigenen Worten vor Lust kaum mehr an sich halten. Dabei klingt er, als würde er den Wetterbericht vorlesen. Und symptomatisch sind auf dem Tresen alle Flaschen leer. Bier kostet zwar bloß zweefuffzsch, aber das reicht eben nicht. Wo ist das Elend? Wo die Tragik, das Leid? Mit einem Popeye-T-Shirt bin ich Omas Lieblingsenkel. Ja, »abgebrannt« sind diese Figuren sicherlich, aber leider keiner von ihnen ist ausgebrannt. Hedonismus sieht ganz anders aus.

Rico Stehfest / Fotos: j-zsk.de

Nächste Vorstellungen: 21.12.2016 im Labortheater der HfBK, 18./19./25.-27.1. im projekttheater



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