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When the Beat Drops - »16BIT« in Hellerau ist eine Geschichtsstunde des Techno


11. Februar 2023 – Mit Schulterpolstern, die einem jeden Footballspieler ausgezeichnet zu Gesicht stehen und Schuhen, deren Design sich irgendwo zwischen Wrestling und Bowling einschwingt, lässt Paula Rosolen/Haptic Hide sechs Performerinnen und Performer eine Stunde lang die Basslastigkeit des Techno durchbuchstabieren, das als Hintergrundgewummere unmissverständlich den Sound der 90er geprägt hat. Und sportlich ist das Ganze in jeglicher Hinischt. Wobei jene Ära ästhetisch bereits erstaunlich weit nach hinten gerutscht zu sein scheint: Die ersten stakkatohaften, mechanischen Bewegungen von »16BIT« wirken merkwürdig ausgestellt, fast unfreiwillig albern und gekünstelt, von offensichtlichen Gags mal abgesehen. Allerdings ist das ja der Punkt. Dergleichen passiert eben gern, wenn ursprünglich urbane Ausdrucksformen in den Kontext künstlerischer Auseinandersetzung auf eine Bühne gestellt werden. Das wirkt erst mal befremdlich. Man sollte hier also besser sein kritisches Gehirn zuhause lassen.


Es stellt sich also gar nicht so sehr die Frage, ob diese ausgelassene Leichtfüßigkeit, die immer wieder in oberflächlichen Gesten offensichtlicher Musik-Video-Ästhetik schwelgt, ironisch gemeint ist. Es ist, was es ist. Oder besser: Es ist, was es mal war. Irgendwie hat das alles etwas von einem Blick in die Vergangenheit, in die Geschichte, aber ohne zu historisieren. Viele Details des Bewegungsvokabulars wirken illustrativ vordergründig, weil sie fast schon klischeehaft bekannt sind. So viel zur gesellschaftlichen Breitenwirkung des Techno. Dabei weist dieses monotone Gekloppe trotzdem nicht über sich selbst hinaus. Es trägt keine Botschaft außer der, dass es darum geht, eine gute Zeit zu haben. Und die haben die Performer und das Publikum gestern vor ausverkauftem Haus unbedingt gehabt.


Gleichzeitig wurde hier choreografisch gründlicher und komplexer gearbeitet, als manch einem bewusst werden könnte. Es ist ein bisschen wie ein kleines Vexierspiel, bei dem rumknobeln kann, welche Einflüsse eigentlich in die Rave-Kultur eingeflossen sind. Da kehren nicht nur die Heydays von MTV zurück. Da flackern Hip-Hop-Posen genau so durch wie das laszive Flackern des Vogueing. Es geht doch nichts über einen sauberen Deathdrop.

Rico Stehfest / Fotos: Jörg Baumann

nächste Vorstellung: 11. Februar 2023, Festspielhaus Hellerau, 20 Uhr.



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