Von der Macht des Geldes: Shakespeares »Kaufmann« in der Inszenierung von Spielbrett im Theaterhaus Rudi

Wenn es einen Satz gibt, der die Inszenierung des »Kaufmanns« im Theaterhaus Rudi zusammenfasst, dann: Geld verdirbt den Charakter. Keiner kommt ungeschoren davon. Die Reichen sind ohnehin nicht zu retten, aber auch die Habenichtse stehen unter der Fuchtel des Mammon, sie begehren reich zu sein und ersinnen Pläne, wie sie zu Geld kommen könnten (vielleicht ein Banküberfall?). Nicht einmal die Verliebten sind resistent: mit einem bewundernswerten Realitätssinn packen sie ausreichend Schmuck und Barschaft ein, bevor sie zusammen durchbrennen.

Die Geschichte: Der mittellose Bassanio will um die reiche Erbin Portia werben. Er bittet seinen Onkel Antonio um die 3.000 Dukaten, die er für die Brautwerbung benötigt. Antonio will ihm die Summe gern borgen – er verspricht sich von der angestrebten Verbindung seines Neffen eigene Vorteile –, jedoch hat er das Geld gerade nicht flüssig, sondern in Handelswaren investiert, die noch auf Schiffen unterwegs sind. Er rät Bassanio, sich Geld auf seinen Namen zu leihen – und Bassanio wendet sich an den Juden Shylock, der sich bereiterklärt, die Summe zinslos zur Verfügung zu stellen. Spaßeshalber schreibt der Bankier auf den Schuldschein, solle Antonio zahlungsunfähig sein, habe er, Shylock, Anspruch auf ein Pfund von Antonios Fleisch.

Der »Kaufmann von Venedig« gilt als Shakespeares dunkelstes und umstrittenstes Stück, denn es spielt mit Antisemitismus: Der jüdische Bankier Shylock will seinem Schuldner Antonio das Herz aus dem Leib schneiden, als dieser seinen Schuldschein nicht fristgemäß auslösen kann – und nichts kann ihn umstimmen: er besteht auf sein Recht.

Die Frage nach dem Antisemitismus steht bei der Inszenierung nicht im Vordergrund. Weder im Aussehen noch im Auftreten gibt es einen Unterschied zwischen Antonio und Shylock: beide sind Geschäftsmänner und Profiteure, beide haben mal gute und mal schlechte Zeiten, Gewinne und Verluste. Wichtig ist vielmehr die Kritik an kapitalistischen Strukturen, an Kriegsgewinnlern und Doppelmoral. Dabei ist die Aufführung sehr komisch und unterhaltsam, undogmatisch und nicht belehrend. Die Dialoge und Lieder gehen über den Text von Shakespeare hinaus und legen unzählige Spuren in die Popkultur der letzten 30 Jahre. Insgesamt ist der »Kaufmann« der Theatergruppe Spielbrett ein Stück, das man nach dem ersten gern noch ein zweites Mal schauen möchte. Annett Groh/ Fotos: Tanja Kirsten

Nächste Aufführungen: 16./17. Mai im Theaterhaus Rudi. Im Sommer ist Spielbrett mit dem »Kaufmann« auf Planwagentour unterwegs; weitere Infos: www.spielbrett.info



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