Unser Leben gehört uns nicht – Die Freispieler werfen im projekttheater mit »Walks Looking« einen düsteren Blick auf uns
22. Januar 2022 – Jaja, das Versprechen der »schönen, neuen Welt«. Wir kennen es. Und wir fürchten uns davor, vor der Gleichmachung, dem Ausschalten der Gefühle und dem freien Willen. Wenigstens geht es einigen so. In diese Richtung blicken Die Freispieler, das kann man wohl so sagen, in jeder ihrer Stückentwicklungen. Auch in »Walks Looking«, wie immer unter der entspannten Regie von Christiane Guhr und der reflektierten Dramaturgie von Stephan Zwerenz, kämpfen die Beteiligten mit und gegen aufgezwungene Gleichschaltung.
In einem »Science-Fiction-Western« flüchten Menschen und Androiden im Jahr 2150 voreinander, einer jagt den anderen, ausgelöst und gesteuert durch ein übergreifendes und übergriffiges Unternehmen, dessen Prinzip es ganz bewusst ist, eine imaginäre Mauer zwischen beiden aufrechtzuerhalten. Und genau diese Mauer ist es, diese Mauer in den Köpfen, die einige wenige nicht akzeptieren wollen. Da wird der Jäger zum Gejagten, wenn es gilt, einen vermeintlich gefährlichen Androiden auszuschalten. Zwar lassen sich diese eindeutig von Menschen unterscheiden, man entnehme ihnen einfach einen Augapfel und werfe einen Blick auf die Seriennummer, allerdings ist das eben nur durch den Blick hinter die Fassade, hinter die Oberfläche möglich. Anders gesagt: Es stellt sich bald als Krux heraus, dass Menschen und Androiden eben nicht so einfach voneinander zu unterscheiden, also zu trennen sind. Das ist auch nicht zuletzt durch einen in der Vergangenheit heimlich einprogrammierten Code möglich, der aus Androiden in mehreren Stufen ganz langsam Menschen werden lässt, indem sie einen freien Willen entwickeln. Und genau dieser freie Wille ist es, der die große Gefahr für jede kontrollierende Institution darstellt.
Was hier deutlich ins Auge fällt ist die Tatsache, dass diese fiktive Zukunft nur ein Vehikel, fast eine Metapher darstellt. Schlussendlich ist klar, dass es sich eben tatsächlich nicht um ein Gedankenspiel um etwas dreht, das uns allen drohen könnte. Das ist gegenwärtig. Der bittere Beigeschmack entsteht dabei durch den Eindruck, so viele Menschen seien bereit, für ihren digitalen Wohlstand jeden erdenklichen Preis zu zahlen. Die Entscheidungsfrage zwischen Freiheit und Sicherheit fällt für viele eindeutig aus, zu eindeutig. An diesem Punkt kratzt diese Inszenierung vorsichtig, aber unübersehbar.
In gewohnter Manier stützt sich auch »Walks Looking« vor allem auf den Text. Der bringt auch eine menschliche, rührende Seite mit, wenn der Kopfgeldjäger »Fettsack« tituliert wird und keinen Schritt ohne seinen Plüschhasen macht. Bis zum Ende, das im Prinzip einen Anfang darstellt, braucht es von seitens des Publikums Geduld. Man muss zuhören und mitdenken wollen. Das war bei den Freispielern schon immer so. Vielleicht ließe sich das dramaturgisch etwas anziehen, um das Publikum bei der Stange zu halten. Allerdings ist ja ganz offensichtlich, dass hier der Aspekt bloßer Unterhaltung nicht im Vordergrund steht.
Rico Stehfest / Fotos: David Campesino
nächste Vorstellung: projekttheater, 22. Januar, 20 Uhr
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