Thielemann und Boussard geben einen glasklaren »Otello« in der Semperoper
Man kann Verdis Otello klassisch pompös, komplex, überladen, urtragisch inszenieren – oder so wie am 23. Februar bei der Premiere in der Semperoper. Dieses »so« ist nämlich auch Programm in der neuen Inszenierung von Vincent Boussard, dirigiert von Haus-Maestro Christian Thielemann. Es meint aber ebenfalls die Grundessenz eines Opernwerks, in der Verdi 1889 Shakespeares Tragödie selbst schon von allem befreite, was den zentralen Otello-Jago-Cassio-Desdemona-Konflikt umgab. Wenn man dies nun auch noch auf die Spitze treibt und Otellos (weiß!) übermächtigen Gottesglauben und sein allgegenwärtiges Gewissen als aufregende Engelsfigur (schwarz!) über die intrigante Bosheit des eifersüchtigen Jago stellt, gibt Boussard dem Publikum einen glasklaren Ankerpunkt: Dieser Otello kämpft und verliert gegen sein Ego.

Genauso erkennt man den unbedingt anderen Stil auch an der von Spiegelböden und -wänden, Glas- und schneeweißen Leuchtflächen dominierten Bühnengestaltung. Die ist sehr gelungen, denn Bühnenbildner Vincent Lemaire macht auf elegante Weise ein Verstecken oder gar Entrinnen der Figuren undenkbar. Als fast schon klassischen Gegensatz funktioniert er seine mobile Brücke auch mal in einen mit dutzenden Kerzen bestückten Altar um, über dem ein Videobanner Otellos einsetzenden Wahn verkündet – der inszenatorisch dichteste Moment des ganzen Abends.

Die Besetzung des »Mohren von Venedig« mit einem nicht farbigen Heldentenor, also »gegen den Strich«, ist dagegen fast schon ein obligatorisches Statement, dass die Fremdheit des afrikanischen Flottenkapitäns nicht nur durch das Aussehen deutlich wird. Und das, obwohl Verdis Oper nur selten mit Informationen herausrückt, wie Otello sich noch von seinem Gefolge isoliert und was ihn so anfällig für Jagos giftige Worte macht. Der amerikanische Gast-Tenor Stephen Gould sang ihn jedenfalls am Samstag mit einer abwechslungsreichen Bandbreite an Stimmungen und ergänzte sich besonders schön in der Schlafzimmerszene vor einem gigantischen Spiegel im Duett mit der von Grammy-Gewinnerin Dorothea Röschmann gespielten Ehefrau und vermeintlichen Ehebrecherin Desdemona. Sie wiederum hatte ihren Glanzmoment in der Katastrophenszene und legte all ihre Zerbrechlichkeit in die klagenden »O salice«'s im berühmten »Lied von der Weide«.

Thielemann selbst schleppte sein Orchester zunächst etwas uninspiriert durch die zwei ersten Akte, die nicht selten vereinzelt dem Publikum ein Gähnen abrang und sorgte nach der Pause für einen deutlich nach oben zeigendem Dynamikpfeil in Richtung des Schicksals der Figuren Otello und Desdemona und somit auch für einen gebührenden Abschluss dieses insgesamt gelungenen Dresdner Otello. Martin Krönert/ Foto: Monika Forster

Nächste Vorstellungen: 26. Februar, sowie 1. und 5. März.



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