Reverend Beat-Man & Izobel Garcia
am 25. April 2019 in der Groove Station.

Pisse schmeckt. Nach rotzigem Aufruhr, juveniler Nervosität und fragilem Alltagswahnsinn. Das OX-Fanzine hat die ursprünglich aus Hoyerswerda stammende Band schon vor ein paar Jahren als »eine der besten Punkbands der Republik« bezeichnet. Völlig zurecht wie dieser Aprilabend zeigt.

Die Groove Station ist ausverkauft. Schon vor dem ersten Ton locken Saunaspaß-Temperaturen. Das Publikum hat Bock, drängelt Richtung Bühnenkante. Pisse eröffnen für den legendären Schweizer Reverend Beat-Man und Izobel Garcia, die mit ihrem wilden Blues-Trash Zirkus ebenfalls Station an der Elbe machen.

Wild sind Pisse auch. Kurz nach acht geht das Quartett auf die Bühne. Mit verzerrt angreifender Stimme, Schlagsahne-Synthies und ordentlich Druck auf dem Post-Punk-Kessel hat die Band, in der alle Ronny heißen, die ersten Reihen binnen weniger Takte zum Schubsen und Mitsingen animiert. Pogo hat man so etwas früher genannt, ist ja schließlich kein Kindergeburtstag hier. Früher ist eh gut, denn was die Band macht, klingt alt, aber nicht verstaubt. Pisse sind sauer, beschreiben aggressiv genau alberne Sektflöten auf albernen Empfängen als Symbol für einen affektiert unangenehmen Kunstmarkt und gehen mit ihrem Publikum gemeinsam bis ans dunkle Ende der Straße – dorthin wo man einander braucht, um nicht vor Angst durchzudrehen. Im Stück »Dresden« vom Tonträger »Hornhaut ist der beste Handschuh« wird eine Stadt besungen, in der man alles hübsch gemacht hat, in die Gäste aus aller Welt kommen. Ein Ort, ein wenig wie München ohne Geld. Wo man sich »Scherben im Koksverschnitt« auf der Toilette gibt und einen »Assis in der Straßenbahn« von der Seite anglotzen. Elbflorenz von unten. Das verstört, das macht Laune und so wird die Band erst nach mehreren Zugaben von der Bühne gelassen, um Platz für den zweiten Headliner des Abends zu machen: Reverend Beat-Man & Izobel Garcia.

Als Frontmann der Psychobillyband The Monsters hat der auf den bürgerlichen Namen Beat Zeller hörende Beat-Man szeneintern längst Kultstatus, sich mit seinem Soloprojekt über die Jahre aber auch einen Ruf über den Tellerrand hinaus erspielt. Als er zu tragenden Klängen das Bühnenbanner an der Rückwand befestigt, hat sich die Groove Station schon wieder gut gefüllt, der Eindruck verflüchtigt, viele im Publikum seien vielleicht nur wegen Pisse da gewesen. Nun betritt die Mexikanerin Izobel Garcia stumm die Bühne. Zwar hat sie keinen Totenschädel in der Hand wie auf dem Flyer, dafür erscheint Garcia im Nonnenoutfit mit dunkel bemalten Lippen. Was folgt ist ein bis aufs Skelett entfleischtes Rock’n’Roll/Blues-Szenario. Mitunter klingt sogar etwas Gospel an, dann wirkt das Ganze wie eine aus den Fugen geratene Messe. Laut, gefährlich, direkt aus der Hölle. Das dazugehörige Album des Duos heißt passenderweise: »Baile Bruja Muerto«, was so viel wie »Tanz, Hexe, Tod« bedeutet und den Auftritt bestens beschreibt. Wird mit dem Stück »Get on your knees« noch flugs der Sound justiert, treibt einen das Duo im Anschluss durch derb mitreißende Stücke, sphärisch unterbrochen durch Garcias teuflisch hypnotisierende Melancholie. Das mittlerweile tropfnasse Publikum lässt sich willig auf den Spuk ein, goutiert jeden Song frenetisch und wird nach einem kurzweilig straffen Set glücklich und dampfend in die Neustädter Nacht entlassen. Was für ein Spektakel! M.Hufnagl/ Fotos: Dave Mante/GrooveStation




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