Raus aus der Langeweile, rein in die Dekadenz! Pipi und Popo – Die Serkowitzer Volksoper in der Saloppe
In lauen Sommernächten im Freien zu sitzen und die warmen Temperaturen zu genießen, scheint für die meisten unter uns das Highlight dieser Jahreszeit zu sein. Wenn man zudem noch künstlerisch unterhalten wird, könnte dieser Sommerabend perfekt werden. Seit vier Jahren zeigt die Serkowitzer Volksoper in der bewaldeten Kulisse der Saloppe jedes Jahr neue Produktionen, die Theater und Operngesang in volkstümlicher, amüsanter Weise miteinander verbinden.
Pipi und Popo, das als musikalisches Märchen betitelt wird, beinhaltet die Geschichte von Georg Büchners Leonce und Lena. Diese ist schnell erzählt: Prinz Leonce, der bald die Nachfolge seines Vaters als König antreten soll, muss verheiratet werden. Die Ausgewählte ist Prinzessin Lena. Beide kennen sich nicht und wollen sich auch nicht heiraten. Unabhängig voneinander beschließen sie mit ihren Dienern ins schöne Italien zu reisen und sich dort dem süßen Leben hinzugeben. Sie treffen sich zufällig und verlieben sich Hals über Kopf. Nachdem die beiden den Plan um eine heimliche Heirat ersonnen und durchgeführt haben, erkennen sie erst, dass ihre rebellische Idee hinfällig gewesen ist, da sie einander ohnehin versprochen waren.
Georg Büchner, der als einer der wichtigsten Schriftsteller des Vormärzes gilt, schuf diese Polit-Satire unter dem Deckmantel eines Lustspiels. Kritisiert wurde im Entstehungsjahr 1836 die Dekadenz des Adels, die sich im Überdruss und der Frustration der Protagonisten zeigt. Auf der mehr oder weniger halbherzigen Suche nach Idealen, Kreativität und wahren Helden, die den selbstmordgefährdeten Leonce zur Flucht bewegen, bleibt er erfolglos und kehrt letztlich resigniert zurück. Am Hofe seines Vaters nimmt er gleichgültig seine Rolle als König entgegen.
Die Thematik des Kampfes gegen die Trägheit, die Passivität und den Stumpfsinn erscheint auch 178 Jahre später aktueller denn je. Ob diese Botschaft allerdings in einem hauptsächlich für Kinder ausgelegten Stück wirklich zum Tragen kommt, ist fraglich. Ohne Zweifel sind die Kostüme liebevoll gearbeitet (mit Herzen für Leonce und Karos für Lena) und erinnern an Figuren aus Disneys Alice im Wunderland. Beim Maskenbild orientierte man sich sehr stark an Pantomimen-Darstellern. Daher wirken die Schauspieler in ihren Rollen überzeichnet und lustig zugleich. Während der Umbaupausen führt ein Diener des Hofstaates Zwiegespräche mit dem Publikum und zieht dabei alle Register in Sachen Italien- und Jugendklischees. Witzigster Part ist der betrunkene Hofprediger, der Leonce und Lena traut und bei dessen Auftritt das Publikum merklich lacht und applaudiert.
Wer bei diesem Possenspiel eine aufschlussreiche Büchner-Interpretation erwartet, dem sei gesagt, manchmal braucht man in einer lauen Sommernacht nur zwei Dinge: warme Temperaturen und amüsante Unterhaltung. Carolin Herrig
Weitere Vorstellungen: 26./27./28.07.2014 in der Saloppe
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