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Ohnmacht der Flucht – Das Staatsschauspiel bespielt mit »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier« die Trinitatiskirchruine


29. August 2016 – Die Vorstellung hat noch gar nicht begonnen, das Publikum wartet noch ungeduldig auf den Einlass in die Trinitatiskirchruine, als plötzlich Schauspieler Thomas Kitsche mit stechendem Blick vor uns steht. »Wenn Krieg wäre, wohin würdest du gehen?«, fragt er mit gebieterischer Stimme – und wartet darauf, dass die Leute ihm antworten.


In dem Theaterstück »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier« nach der Kurzgeschichte von Janne Teller unternimmt das Staatsschauspiel ein Gedankenexperiment: Nachdem die Regierungen dem Drängen faschistischer Strömungen unterlegen sind, befindet sich Europa nach über 70 Jahren wieder im Krieg. Die europäischen Flüchtlinge setzen sich in die nächsten friedlichen Gebiete ab – in den Nahen Osten, wo sie sich einem schleppenden Asylverfahren aussetzen müssen und sich nun in die Rolle von Bürgern dritter Klasse versetzt sehen. Durch die du-Form wird das Publikum unmittelbar angesprochen und erlebt die Flüchtlingsgeschichte aus der Sicht eines 14-Jährigen aus Deutschland, der mit seiner Familie nach Ägypten flieht.


Mehr noch als in der Geschichte erlebt das Publikum in der Bühnenfassung von Pınar Karabulut die Flüchtlingskrise am eigenen Leib. Man sieht sich der Willkür cholerischer Grenzbeamter ebenso schutzlos ausgeliefert wie den gesichtslosen Beamten, die für das persönliche Asylverfahren zuständig sind. Immer wieder wird mit dem Publikum interagiert, um das Gefühl der Ohnmacht des eigenen Schicksals gegenüber zu vertiefen. Leider wirken deshalb komödiantische Einlagen völlig fehl am Platz und zerreißen jene Stimmung, die zuvor so mühsam aufgebaut wurde.


Dennoch stimmt die Vorstellung nachdenklich, was sowohl der Trinitatiskirchruine als Spielort zu verdanken ist, die selbst schon Erinnerungsort ist, als auch den schauspielerischen Leistungen von Alexander Angeletta und Thomas Kitsche, die an ihre körperlichen Grenzen gehend alle Rollen des Stücks übernehmen. Zusammengenommen hinterlasst das ein Gefühl der Betroffenheit, das seinen pädagogischen Anspruch nicht verfehlt und uns die Flüchtlingskrise mit anderen Augen sehen lässt.

Stephan Zwerenz / Fotos: Daniel Koch

Nächste Vorstellungen: 02., 03., 09., 16., 18., 22. und 23.September in der Trinitatiskirchruine



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