Nach Andorra! Oder hierbleiben –
Die bühne zeigt mit »My Dad was Jim Morrisons Grave«, wie unfähig Menschen sein können.
Eins wird in dieser Inszenierung ziemlich schnell klar: Alles so schön dysfunktional hier! Alois ist tot, und seine Familie zeigt in ihren individuellen Reaktionen die schönste Überforderung.
Im Grunde ist es Überforderung dem eigenen Leben gegenüber. Mit Alois hat das alles gar nichts (mehr) zu tun. Auch, wenn da noch etwas dreckige Wäsche gewaschen wird und der seltsame Arzt Dr. Bein (mit einer blutroten Tasche in Form eines Gehirns) immer wieder neue Facetten über Alois' Todesursache aufs Tapet schleudert. Naja, der Netteste war Alois nun auch nicht, wie nonchalant anerkannt wird.
Was das mit Jim Morrison oder dessen Grab zu tun hat? Eigentlich gar nichts. Gleichzeitig aber auch alles, wie man deutlich sehen kann: Stellvertretend für das Grab steht auf der Bühne ein länglicher Glaskasten, der immer wieder und immer mehr Schaum produziert, bis dieser »süße Brei« über die Ränder quillt. Soll heißen: Es geht immer weiter. Alles dreht sich immer weiter. Aus dem Leben gibt es keinen Ausweg. Das ist saukomisch, aber auch tragisch.
Saukomisch ist es, wenn ein Philologe eine Vision hat und plötzlich versteht, wie die Erste Lautverschiebung damals zustande gekommen ist: Es lag am Wetter! Tragisch ist es, wenn immer wieder einzelne Charaktere geradezu hilflos mittels eines überdimensionierten Mobiltelefons (mit Tasten!) zu kommunizieren versuchen. Miteinander? Schön wär’s. Hier wird nur überlebt, um den Tod wegzuquatschen, ihn auf Distanz zu halten. Nichts erscheint so schmerzvoll wie der Gedanke des Verlustes. Also besser gar nicht erst Verbindungen schaffen. Deshalb schlägt Dr. Bein vor, nach Andorra abzuhauen. Oder halt hierzubleiben. Macht eh keinen Unterschied. Am Ende wird dem begeisterten Publikum kommentarlos das Lied »Leben auf dem Land« von Njelk vor die Füße geworfen. Weißte Bescheid.
Anton Artibilov hat mit diesem Text ein süffisantes Tableaux geschnitzt, für das er auch noch die Regie übernommen hat. In Ergänzung durch die gewohnt entspannten choreografischen Ansätze von Valeria Bobke liefert die bühne hier akzentuierte Charakterstudien, die jede und jeden einzelnen in der Darstellerriege tatsächlich einen individuellen Kopf sein lässt. Zwar vereint alle, dass sie einfach nix gebacken kriegen, aber gerade das macht sie ja eben zu Menschen. Es ist also gar nicht falsch, mit wissendem Nicken und amüsiertem Schmunzeln im Publikum zu sitzen.
Text: Rico Stehfest / Fotos: Maximilian Helm
»My Dad was Jim Morrisons Grave« ist am 16., 17. und 18. Februar an der Bühne zu sehen: www.die-buehne.tu-dresden.de/spielplan/my-dad-was-jim-morrisons-grave/
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