Mein einziger Freund, das Klo – Die JuWie Dance Company mit »Addiction to ...« im Labortheater
13. Dezember 2015 – Es ist eine Szene, die sich ins kulturelle Gedächtnis geprägt hat: Als sich Ewan McGregor 1995 in der Verfilmung von »Trainspotting« in die versiffteste Kloschüssel der Welt zwängte, kotzte der Punk damit der bürgerlichen Gesellschaft einen dicken Gruß vor die Füße. Sucht ist eine hässliche Fratze.
Auch die JuWie Dance Company lässt ihre Arbeit zum Thema Abhängigkeit auf dem Klo beginnen. Im Zentrum steht aber erst mal Daniel Williams, gestandener Sound Wizard der Dresdner freien Szene. Erst, nachdem er seine Geschäftung verrichtet und das Sperrholzhäuschen verlassen hat schließt er nonchalant die Hose und nimmt seinen Thron hinter dem musikalischen Schaltpult ein.
Jule Oeft und Tobias Weikamp ihrerseits fällt es nicht so leicht, die Sicherheit der stillen Örtlichkeit aufzugeben. Sie hocken bei offenen Türen in ihren Kabinen und verzerren die Gesichter. Immer extremer fallen ihre mimischen Verrenkungen aus. Wenn die Zungen rauszufallen drohen, muss man sich zusammenreißen, um nicht ans Pop-Luder Miley Cyrus zu denken. Obwohl … Deren öffentliches Gebaren trägt ja eben gerade auch deutliche Züge von Abhängigkeit und Sucht nach Aufmerksamkeit.
Hier geht es aber zunächst erst mal um die Suche nach der Lücke zwischen Sehnsucht und Sucht. Und schnell wird deutlich, dass letztere tatsächlich nur noch ein rudimentäres Flackerlicht der ersteren ist. Tobias Weikamp drängt sich energetisch bis akrobatisch in einzelne choreographische Bruchstücke, die zwar alle ein Ganzes ergeben, aber trotzdem isoliert nebeneinander stehen. Es ist ein Ausprobieren, ein Testen. Immer wieder bricht er ab, um eine neue Position einzunehmen.
Bemerkenswert ist die kraftvolle Gleichberechtigung Jule Oefts, die ebenso schnell abzurutschen scheint in die Sucht nach mehr. Was folgt, ist für beide ein aussichtsloser Kampf, der sie nicht gegeneinander losgehen lässt, sondern dessen Sichtbarkeit in der Bewegung nur Ausdruck der jeweiligen inneren Isolation ist. In diesem Kampf kann es keinen Gewinner geben.
Dem inneren Aufbäumen folgt zwangsläufig ein Kontrollverlust. Und der zeigt sich in überdrehter Sinnfreiheit, wenn das schwachsinnig alliterierende Präsentatoren-Duo einer Werbeverkaufssendung aus Scheiße Geld zu machen versucht. Den Vogel schießt schließlich ein Aluhut ab, der von einem Professor entwickelt worden ist und »die Energie der Cherokee« direkt ins Karma des Trägers leitet. Jule Oeft macht sich selbst bereitwillig zur metaphorischen »Aluhut-Trägerin« und wirkt mit diesem anonymisierenden Dingens statt eines Kopfes wie ein nicht enden wollendes Popzitat, dessen Quelle schon lange verloren gegangen ist.
In der Zwischenzeit rammt sich Tobias Weikamp einen Coffee-to-go-Becher sinnlos in den Mund und zeigt damit: Wir sind nicht mehr, was wir konsumieren. Wir sind, was wir tun. Das Moment möglicher Steuerung ist dabei das Prekäre.
Am Ende sitzen zwar beide wieder isoliert voneinander auf ihren Porzellanschüsseln, dürfen aber vorher noch ausgiebig ihr Inneres nach außen kehren. Kotzen, gemeinsam am Schönsten. Da merkt man wieder: Wir haben doch nur uns.
Rico Stehfest / Fotos: DangerZone
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