Im (Wilden) Westen nichts Neues: die bühne zeigt »Winnetou. Der Tragödie erster Teil«
Was fehlt fünf jungen Leuten in einer klaren Nacht am Lagefeuer? Richtig! Eine packende Geschichte! Wieso da nicht mal auf einen wahrhaften Klassiker der deutschen Abenteuerliteratur zurückgreifen: Winnetou von Karl May. Doch ist diese Cowboy- und Indianerstory über Freundschaft, Gerechtigkeit und Wagemut überhaupt noch zeitgemäß? Die Bühne erzählt die Geschichte neu und fragt nach den Werten, die hier vermittelt, und den Heldenbildern, die hier konstruiert werden. So entfaltet sich auf der Bühne eine Wild West Parodie, die den Anspruch hat, mit dem guten alten Karl May hart ins Gericht zu gehen.
Der gesamte erste Teil der Winnetou-Reihe wird mit minimalem Requisiten- und Kostümaufwand, Schritt für Schritt nachgespielt. Das Stück lebt von den fünf äußerst verschiedenen sowie höchst wandelbaren Schauspielern, welche mit schnellen Rollenwechseln der Handlung Dynamik verleihen. Es ist eine wahre Freude, zu sehen, wie jeder von ihnen Old Shatterhand oder Winnetou seinen eigenen Stempel aufdrückt. Die durchweg polemische Sprech- und Darstellungsweise, die mit Ironie und Witz versucht, die lächerlichen Seiten von Mays Erzählung bloßzustellen, sorgt für einige gelungene Gags und lustige Momente. Allerdings gelingt es dem Stück dabei nicht immer, den Anspruch, eine kritische Studie über Heldenerzählungen zu sein, voll und ganz einzulösen. Über weite Strecken sieht man sich als Zuschauer mit doch etwas zu plattem Humor, recht albernen Geschehnissen und offensichtlich auf den schnellen Lacher hin geschriebenen Szenenfolgen konfrontiert. Das parodistische Konzept nutzt sich zudem schnell ab. Spätestens ab der obligatorischen Blutsbrüderschaft, die einen guten Endpunkt markiert hätte, verliert das Ganze zunehmend seinen Reiz und man erwartet den Schluss. Eine leichte Kürzung hätte hier gut getan.

Die schönsten Momente sind die, in denen das Stück die Klamauk-Ebene à la »Schuh des Manitu« verlässt und zur ernsten Kritik an Karl Mays literarischem Konzept ausholt. Das Geschehen von oben betrachtend, treten die Darsteller aus der Rolle und prangern die deutlich einseitige Charakterzeichnung, das Wiederholen von stereotypen Handlungsverläufen sowie die klischeehafte Geschlechterdarstellung an, wie man sie im »Winnetou« findet. Man wendet sich gegen ein unreflektiertes Reproduzieren dieser Abenteuerstoffe, deren Defizite offenkundig werden, wenn man die ihnen innewohnenden Werte aus heutiger Sicht begutachtet. So scheint ein durchaus gegenwartskritischer Aspekt doch zuweilen auf und verleiht dem Stück einen nicht abzusprechenden Reiz. Wer gute Charakterschauspieler in herzerfrischend heiterer Aktion sehen will und sich auf eine ironisch-komische Westernparodie, ohne allzu hohen Anspruch, einstellt, kann sich diese Produktion bedenkenlos ansehen. Und noch ein Hinweis am Schluss: Auch Leuten, die sich gern als Statisten ins Spiel integrieren lassen, sei »Winnetou« wärmstens ans Herz gelegt. Wo sonst bekommt man schon die Möglichkeit, sich mit den Darstellern eine Kissenschlacht zu liefern? Willi Barthold/ Foto: Phillip Heinz

Nächste Vorstellungen: 5./6./10. & 11.7.2014



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