"Heimatabend" – Spielbrett ergründet die deutsche Volksseele

Einen richtig dicken Brocken hat sich die Theatergruppe Spielbrett im Theaterhaus Rudi vorgenommen: mithilfe einer historischen Nummernrevue das Wesen der deutschen Nation zu ergründen. Wie ergebnisoffen dies angegangen wird, zeigt sich schon im Titel des Abends „Heimatabend = Ein Tauchversuch = märchenhaft“.


Und ein Versuch ist es den ganzen Abend geblieben. Die Ausgangsidee ist nicht schlecht. In einer szenischen Collage werden die Fixpunkte der deutschen Geschichte und der Nationenwerdung von 1830 bis 1990 dargestellt und mit Sentenzen Grimmscher Märchen verknüpft. Ein weiterer roter Faden sind die wesentlichen Charaktere, die immer wieder das Schicksal der Deutschen in die eine oder andere Richtung verschieben. Da gibt es die personifizierte Aufgeklärtheit, der revolutionäre Geist, im Widerspruch zur chauvenistischen Dumpfheit. Die politische Ignoranz ist ebenso vertreten wie der Hang, sogar solch banale Themen wie die Mülltrennung zu ideologisieren.


Im Mittelpunkt des Geschehens auf der Bühne steht eine große Kiste, die gleichermaßen als Sarg, als Geschützstellung als Esstisch oder auch als große Wühlkiste eingesetzt wird, in der man Unliebsames verschwinden lassen oder aus ihr wieder hervorholen kann. Die Kiste als Fundament für menschliche Standbilder zu nutzen, mit denen die Gemälde nachgestellt werden, die typischerweise für historische Zäsuren stehen, ist ein Regieeinfall, der trägt und durch das obligatorische Selfie einen witzigen Zeitbezug erhält.


Ansonsten hält sich die Humorigkeit an diesem Abend stark in Grenzen. Aber auch hier legt Spielbrett (unfreiwillig?) einen als typisch deutsch zugeeigneten Charakterzug an den Tag: Wenn es um das nationale Gefühl und die völkische Identität geht, da hört der Spaß hierzulande aber sowas von auf! Dies zeigt sich darin, dass an manchen Stellen das Bedürfnis bestand, die Dinge ganz genau zu erläutern, damit es auch der letzte Depp kapiert. Dies zeugt nicht unbedingt von einem hohen Vertrauen in die Intelligenz des Publikums (auch typisch deutsch?), aber vielleicht is es auch nur Ausdruck einer Unentschiedenheit, mehr Schnitte zu setzen. Gleichwohl geriet der Abend dadurch sehr in die Länge, so dass die zeitnahe Geschichte nicht den Fokus erhielt, den sie für Diskussionen über den Abend hinaus verdient hätte. Dies gilt auch für die manchmal recht schräge Darbietung der Lieder, die für das Zeitgefühl des jeweiligen historischen Abschnittes stehen.


Dennoch demonstriert die Theatergruppe Spielbrett mit dieser Inszenierung eindrücklich, wie schwer wir uns als Deutsche tun, Deutsche zu sein. Und auch, dass wir es sind, die entscheiden, ob dieses Land ein Sommer- oder ein Wintermärchen ist. „Es war einmal – so enden heute die Märchen...“ steht im Programmzettel – Wohl wahr!

JB / Fotos: Spielbrett

nächste Vorstellungen: "Heimatabend - Ein Tauchversuch" im Theaterhaus Rudi am 31. Januar sowie am 13. und 14. Februar



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