Ganz viel Zimt und verschenktes Potenzial – »Mafia Mia: Die Moulin Rouge Affäre« im Erlweincapitol
Freunde anspruchsvoller und gepflegter Abendkultur ringen sich selten mehr als ein Lächeln ab, wenn es um Dinnershows geht. Nichts Halbes und nichts Ganzes werde dort geboten, „Gutes Essen und seichte Unterhaltung“ unken einige und selten handele es sich doch sowieso um mehr als einen Aufmarsch aller denkbaren Revue-Einlagen, umrahmt von einem losen Erzählkonzept. Auch „Mafia Mia“ im Erlweincapitol könnte man nach etwa vier Stunden abwechselnder Ess- und Bühnenkultur all diese Kritikpunkte anlasten, wenn es nicht genau das halten würde, was es verspricht: Den Versuch, eine Show-Revue mit burleskem Flair mit einer klamaukigen Kriminalgeschichte zu verbinden.

Der Leipziger Kabarettist Bert Callenbach mimt zum bereits dritten Mal den Dresdner Paten Don Padrone und tut dies mit Charme. Jedoch merkt man ihm schnell an, dass es sich hier nicht um eine Herausforderung für ihn handelt. Als Oberhaupt der erfolgreichen Mafia Mia-Familie hat er dieses Jahr etwas ganz besonderes im Sinn. Von seiner französischen Gauner-Verwandtschaft hat er das legendäre Pariser Burlesque-Theater „Moulin Rouge“ geerbt und möchte es in neuem Glanz in Dresden erstrahlen sehen. Also verdonnert er seine Handlanger Schlicht und Kümmerling – ein clowneskes Comedy-Duo mit viel zu großen Schuhen und stets dämlichen Einfällen – zur Organisation der neuen Show-Sensation. So steigt man also ein in den mafiösen Abend (ohne viel Mafia) und wird nach einem kleinen Snack (Baguettes mit Buttervariationen und eine fein abgestimmte Gänseleberpraline) und einem zugegeben belanglosen Einführungsvideo mit der Vorspeise des Kochduos Kirsch und Mager begrüßt. Geschmacklich weiß die Bratapfelsuppe durchaus als ungewöhnlich süße Angelegenheit zu überzeugen. Nur lässt sich bereits jetzt erahnen, dass die Kochprofis im gesamten Menü einfach nicht die Finger vom Zimtstreuer lassen würden. Während sich also dem herrlich zarten Höhepunkt, einer klassischen Entenkeule mit Honigkruste und Rotkohl, eine Kartoffelroulade mit zimtener Butterfüllung und zimtbrauner Soße anschmiegte, ließ man sich so langsam auf die im geschmackvoll dekorierten Ballsaal stattfindende Show ein.
Leider verliert sich die zu Beginn wunderbar durch einen klassischen Cancan und mit bunt gefiederten Tänzerinnen erzeugte „Moulin Rouge“- Atmosphäre, und kehrt lediglich noch in den durchweg herausragenden Artistik-Nummern des Duos Pospelov und der Reifenkünstlerin Caroline Hammer wieder. Stattdessen setzt die Produktion von nun an auf flotte Musik der frühen und späten Rock-Ära, dem Steckenpferd der als „Bang Gang“ auftretenden Band Firebirds. Zusätzlich kamen die weiblichen und stimmlichen Reize der Cottbusser Schlagersängerin EliZa zur Geltung. Mit ihren Interpretationen aus Musikfilmen wie „Moulin Rouge“, „Burlesque“ und „Chicago“ zog sie nicht nur die Blicke des männlichen Publikums auf sich, sondern lieferte sich mit den Bläsern und Gitarristen der Hausband auf dem clever als Dinnertisch getarnten Bühnenmittelgang eine Wettstreit um die feierwütigste Performance.
„Mafia Mia“ macht in dieser Hinsicht auf jeden Fall Laune. Und das ist auch gut so, schließlich werden Dinnershows nicht als Weihnachtsfeiern zum gemütlichen Beisammensitzen und Reden gebucht – Letzteres war bei der vorherrschenden Lautstärke auch, abgesehen von den Dinnergängen gar nicht möglich. Doch geht mit diesem Knallkonzept schnell verloren, was auch „Mafia Mia“ schmerzlich vermissen lässt: Die Ausschöpfung des kreativen Potenzials. Warum so handzahm, Herr Pate? Wo ist das Mafia-Feeling zwischen Highway to Hell, Blurred Lines und der in einem 10-minütigen Akt eingeschobenen „Haupt“-Story um die angebliche „Affäre“? Warum erschießt hier keiner irgendwen und wieso wurde nicht wenigstens einem der Menü-Designer für seinen Zimtwahn im Dessertfinale (Apfel-Zimt-Kuchen mit überzimtenem Lebkuchenparfait und weißer Schokolade) kulinarische Betonschuhe verpasst? Die Antwort darauf kann uns nur der vierte Teil von „Mafia Mia“ im nächsten Jahr geben. Denn der ist so gewiss wie das Hauptgewürz dieses Abends. Martin Krönert

Nächste Vorstellungen: 2.-5.1.2014; Karten für die Show inkl. 5-Gänge-Menü ab 68,50 €.



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